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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Thomas
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Mal, dass sie es sich nach so langer Zeit wieder offen eingestand.
    Die Nacht der Wahrheit. Der Einsicht.
    Ein tragischer Glücksfall. Im falschen Augenblick dem Richtigen begegnet zu sein. Schicksal. Jetzt war der Augenblick wieder der falsche. Dass sie zusammenkommen sollten, schien einfach nicht vorherbestimmt. Sei still und sei einfach nur bei den Walen!
    Sie machen dir Mut.
    Leah wusste nicht, wie lange sie schon an der Reling gestanden hatte, als sie mit einem Mal Geräusche hörte, die mit von Menschen erzeugter Musik nichts gemein hatten. Und doch war es eine Melodie ... Govind musste das Unterwassermikrofon der »SeaSpirit« an die Lautsprecher angeschlossen haben, damit siealle den Gesang der sich vor ihnen tummelnden Kolosse verfolgen konnten – ein Lied, dessen Töne aus einer anderen Welt zu kommen schienen. Leah war so davon gebannt, dass sie es nicht einmal bemerkte, als David sich zu ihr gesellte. Schweigend standen sie nebeneinander und schauten in die nächtliche See hinaus, auf die sich das Licht von Mond und Sternen wie ein Teppich gelegt hatte. Immer noch stiegen die Wale in der Nähe des Schiffs aus dem Wasser empor und ließen sich wieder fallen.
    »Es hat etwas Magisches«, sagte Leah schließlich.
    »Seltener Anblick hier in Alaska, das machen sie eher in den Paarungsgebieten. Wahrscheinlich eine Sondervorstellung für Sie.«
    Die »SeaSpirit« lag reglos im Wasser. So konnte Leah es nicht auf die unruhige See schieben, dass ihre Hand neben die seine rutschte. Sie berührten einander nur mit der Außenseite des kleinen Fingers, und trotzdem glaubte Leah dort ein Kribbeln zu verspüren, als ob sie Medium eines Experimentes zur Fernübertragung von Strom wäre. Keiner umfasste die Hand des anderen. Keiner zog seine Hand zurück. Es fiel Leah schwer, ihre Aufmerksamkeit ungeteilt der Aufführung der Wale zu schenken. Wenn sie nicht Dinge tun oder sagen wollte, die sie vielleicht morgen bereute, war es an der Zeit, sich zu verabschieden und schlafen zu gehen. Allein. Sofort.
    »Ich bin sehr müde«, log sie. »Gute Nacht, David. Und danke.«
    »Danke wofür?«
    Leah versuchte ein unverfängliches Lächeln, das ihr misslang. »Dafür, dass Sie mir Ihre Geschichte erzählt haben. Aber vor allem für den Namen.«
    David nickte ihr zu und suchte ihren Blick. Keiner wandte sich ab, wie auch zuvor keiner die Berührung unterbunden hatte. Er sah sie voller Wärme an, seine Augen hatten alle Härte verloren.
    »Gute Nacht, Leah.«
    »Gute Nacht, David.«
    Sie verließ das Vorschiff und ging ohne Umweg in ihre Kabine. Allein. Vernünftig. Sie hatte sich in ihrem Leben schon manches Mal das genommen, was sie gewollt hatte. Und sie war sich fast sicher, dass David ihren Kuss, hätte sie es darauf angelegt, erwidert hätte. Fast! Doch drei Dinge waren ihr durch den Kopf gegangen, als sie sich schweigend gegenüberstanden. Zuerst einmal erinnerte sie sich an die Szene im Hotel vor sechs Jahren. Eine nochmalige Zurückweisung hätte sie womöglich nicht ertragen. Zweitens dachte sie an Geoffrey. Ihren Partner. Ihren – beinahe – Verlobten. Und drittens war sie der Ansicht, dass alles Erotische an Bord dieses Schiffes nichts verloren hatte.
    Und viertens wäre ihr das alles völlig egal gewesen, wenn er sie geküsst hätte . Das war ihr letzter Gedanke, bevor sie einschlief. Es war der ehrlichste.
    A ls Leah am nächsten Morgen in Richtung Messe schlenderte, herrschte bereits hektische Betriebsamkeit. Sie stieg auf das Achterdeck, wo Steve und Sam die Schlauchboote klarmachten. David war über seine Ausrüstung gebeugt, testete gerade die Armbrust, mit der er die Buckelwale markieren würde. Leah wollte ihn gerade begrüßen, als sie mitbekam, worüber er sich mit Govind unterhielt.
    »Ohne Scheiß, David, jemand versucht sich in unseren Server einzuhacken, er ist übers File-Transfer-Protokoll reingekommen und hat uns einen Trojaner eingeschleust.«
    »Schaffst du’s, den ›Trojaner‹ zu eliminieren?«
    »Schon passiert, aber der, der eure Software installiert hat, war ein totaler Depp, ich hab das FTP abgestellt, ab jetzt gilt nur Secure-Copy über Secure-Shell 2.«
    Was immer das jetzt wieder hieß, David zeigte sich beeindruckt. Offensichtlich war er versierter als sie und verstand, was Govind da von sich gab.
    »Prima, Govind, ich wusste, warum ich dich an Bord geholt hab. Ich frag mich nur, wer sich die Mühe macht, in unseren Rechner reinzukommen ...«
    Ich weiß, wer, schoss es Leah durch den

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