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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Thomas
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nur an ihre früheren Artikel, in denen sie belegt hatte, dass eine Menge Beziehungsleichen seinen Weg pflasterten, sondern auch an den Kuss vor ihrem Hotelzimmer. Stopp, denk einfach nur daran, weshalb du hier bist.
    »Freut mich, bei Ihnen an Bord sein zu dürfen – David McGregor?«
    »M-hmm, freut mich auch.« Er log wie gedruckt, das sah sie ihm an. McGregor ergriff kurz ihre Hand, brummelte etwas vor sich hin und wollte an ihr vorbei.
    »Ich weiß immer noch nicht, was ich eigentlich verbrochenhabe. Gibt es einen Grund, warum Sie mich nicht an Bord empfangen wollten?«
    »Wenigstens haben Sie sich nicht abwimmeln lassen ... Ein Zeichen, dass Sie Ihren Job möglicherweise ernst nehmen.«
    Und schon machte er auf dem Absatz kehrt und verließ die Messe schneller, als er sie betreten hatte. Na bitte. Er mied sie wie der Teufel das Weihwasser. Und was sollte das heißen: »möglicherweise«? Was glaubte der Kerl, wen er vor sich hatte? Und dieser Ton!
    »Er ist ein Seebär, raue Schale, harter Kern, weißt schon, was ich meine«, versuchte Steve sie aufzuheitern, »lass dich bloß nicht von ihm verunsichern.«
    Leah belohnte ihn mit einem forcierten Lächeln und schaltete wieder auf Profi-Modus um.
    Die Messe sah definitiv wie ein Ort aus, der stark frequentiert wurde. Der Zustand der Holzmöbel, jetzt von der Sonne ins Rampenlicht gerückt, war mit »abgeschabt« noch schmeichelhaft umschrieben. Zumal die Stühle aufs Geratewohl zusammengestückelt schienen. Die runden Tische boten ein einheitlicheres Bild, was besonders daran lag, dass sich ihr Resopalbelag gleichmäßig abzuschälen begann. Die Kargheit der Ausstattung war beim besten Willen nicht zu übersehen.
    Die angrenzende Kombüse war nur durch einen schmalen Tresen vom restlichen Raum getrennt. Zwischen blechernen Pfannen und verbeulten Töpfen, die von der Decke herabhingen, konnte man das wächsern-bleiche Gesicht des Polen erkennen, dessen Augen misstrauisch blitzten, als er Leah eintreten sah. Der Mann erinnerte an ein Fossil, seine Haut mit all ihren Falten wirkte wie mumifiziert. Trotz seines beträchtlichen Alters legte er eine Flinkheit an den Tag, die dem Zickzacklauf eines aufgescheuchten Hasen bei der Jagd alle Ehre gemacht hätte.
    Marek wurde von Steve als Meister der Improvisation vorgestellt,denn immerhin habe er es noch nie geschafft, ein Gericht so schmecken zu lassen wie beim letzten Mal. Marek betrachtete das als Verdienst, auch wenn der »Variantenreichtum« nicht jedermanns Geschmack war. Doch die Crew hatte sich längst daran gewöhnt.
    Wie jeden Morgen fing Marek sofort an, sich zu beschweren, und listete Steve eine ganze Reihe von Proviant auf, den er auf der Stelle benötigte, ansonsten stürben alle an Skorbut. Steve wurde die Litanei schnell zu viel. Was würde »National Geographic« von den Zuständen auf ihrem Schiff denken? Also klopfte er Bocuse auf den Rücken und schob ihn in die Kombüse zurück.
    »Zwei Kaffee, Marek, und alles, was du uns zum Frühstück auftischen kannst.« Dann wandte er sich wieder Leah zu. »Marek ignoriert gerne, dass unser Vorrat hauptsächlich aus Tiefgefrorenem und Konserven besteht. Er mag’s lieber frisch.«
    »Korrekt«, intonierte Marek, der schon wieder am Tresen auftauchte und zwei Becher mit dampfendem Kaffee daraufknallte. »Totes Essen nur gut für tote Menschen. Schmeckt super tot!« Damit schien er seinen Crashkurs in Ernährungskunde im Allgemeinen und auf Schiffen im Besonderen beendet zu haben.
    Leah nippte an ihrem Kaffee – sie hatte schon schlechteren getrunken. Nein, wirklich lecker.
    »Was genau macht ihr hier eigentlich?« Leah deutete zu dem Inder, der gerade mit Masao am Nebentisch Platz nahm. »Wie ich hörte, verfolgt er Wale auf seinem Bildschirm, wie bei einem Computerspiel. Seid ihr nicht die Wal-Rambos, Robin Hoods mit Rammbooten?«
    Steve griff sich an den Kopf. »Auweia, wenn das das Bild ist, das wir in der Öffentlichkeit abgeben, dann haben wir noch einen weiten Weg vor uns ...«
    Darauf wollte sie gar nicht hinaus, aber Steve war schon inseinem Element. »Wir wissen noch sehr wenig über die Riesen der Meere. In einschlägigen Büchern findest du zu neunzig Prozent anatomische Beschreibungen. Aber was wir herausfinden wollen, ist, wie sie leben: Wo sie hinziehen, wie lange sie dort bleiben, ob sie immer zu denselben Stellen wandern oder ob sie sich neue Jagdgründe suchen.« Schien eine Macke bei Steve zu sein, immer so weit auszuholen, dass er sein

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