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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Thomas
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es an der Wasseroberfläche hielten, konnte Leah noch andere Gegenstände wahrnehmen, deren Formen für Bojen zu unregelmäßig waren. Erst als sie näher kamen, erkannte sie, worum es sich dabei handelte: Kadaver von Seevögeln, die sich in dem Netz verfangen hatten.
    Sam drosselte den Antrieb, sodass das Schlauchboot nur noch in Schrittgeschwindigkeit dahintuckerte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte keiner ein Wort gesprochen, was in Anbetracht des Motorenlärms auch kaum sinnvoll gewesen wäre. Nun erklärte ihr Sam, dass sie höllisch aufpassen mussten, mit der Schraube nicht in das Netz zu geraten. Schließlich erstarb das Tuckern vollständig, und Sam klappte den Motor nach oben. Masao bückte sich und hob etwas vom Holzboden des Bootes, das sich als Paddel entpuppte. Leah ergriff das zweite Paddel. Während der Zodiac entlang des Netzes glitt, konnte Leah den Blick nicht von den Leichen wenden. Einige der Vögel waren bereits stark verwest, andere völlig aufgedunsen. Ein offenes Massengrab.  Eine Sache war es, davon zu hören, eine andere, es zu erleben. Doch für ein Gefühl des Ekels war kein Platz in Leahs Seele, sie war voller Mitleid für diese armen Kreaturen.
    Sie hatte bei ihrer Vorbereitung gelesen, dass die Gründungsmitglieder von Greenpeace es sich zur Aufgabe gemacht hatten, an die Stätten des Unrechts zu gehen, um davon Zeugnis abzulegen. Genauso empfand auch sie in diesem Moment. Sie wollte das Unrecht mit eigenen Augen sehen.
    Masao riss sie aus ihren düsteren Gedanken, als er den Anfang des Netzes fand. Jetzt mussten sie nur noch auf die »SeaSpirit« warten, um das Netz mit der Winde an Bord des Schiffes zu ziehen. Das Schlauchboot, in dem Joe und David saßen, steuerte an ihre Seite, und sie zwang sich, nicht hinüberzuschauen. Masao legte Taucherbrille und Flossen an. Er wollte einen Tauchgang wagen, um zu erkunden, wie tief das Netz unter der Wasseroberflächehing – eine nicht ungefährliche Aktion. Er konnte dabei schnell selbst zu einem Opfer des Netzes werden, doch er machte dies nicht zum ersten Mal, wusste, womit er zu rechnen hatte. Masao ließ sich über den Bootsrand kippen und verschwand in der See. Eine Weile erkannte ihn Leah noch schemenhaft, dann schloss ihn die Dunkelheit ein. Leah spürte, wie sie den Atem anhielt, und es gelang ihr nicht, den Blick vom Wasser zu wenden. Als der junge Japaner nach einer Minute nicht wieder auftauchte, wurde sie unruhig. Nachdem eine zweite Minute verstrichen war, stand Leah im Zodiac auf, als ob sie dadurch in der Lage wäre, tiefer zu blicken. Sie stützte sich auf den Luftkörper des Bootes und starrte in die dunkle Ewigkeit unter sich, so lange, bis sie endlich etwas entdeckte, das sich schnell der Oberfläche zu nähern schien – Luftblasen. Entsetzt wollte sie sich an Sam  wenden, da erkannte sie hinter den Blasen ein Gewirr aus Bewegungen, die von der Lichtbrechung verzerrt wurden: Masao. Noch zwei Meter, und er hatte es geschafft. Leah atmete auf und half Sam, ihn an Bord zu hieven.
    Masao holte ein paarmal tief Luft, dann berichtete er. Ein Ende des Netzes hatte er offenbar nicht sehen können, doch es schien sich einiges darin verfangen zu haben. Offenbar trieb es schon eine ganze Weile umher.
    Leah fröstelte. Obwohl sie noch nie ein Treibnetz gesehen hatte, konnte sie sich dessen bleierne Fülle bildhaft vorstellen. Langsam näherte sich die »SeaSpirit«, Steve drehte mit dem Heck zu den Schlauchbooten und stoppte die Motoren.
    »Dann wollen wir mal«, bemerkte McGregor.
    Leah warf ihm einen zögerlichen Blick zu, den er erwiderte. In seinen Augen meinte sie so etwas wie Verachtung zu lesen. Wahrscheinlich dachte er, sie sei mit dem Diktiergerät ins Boot gestiegen, um lediglich ein paar Eindrücke einfangen zu können – Eindrücke des Massensterbens, möglichst frisch undschlagzeilenträchtig dargeboten. Dabei hatte sie nur daran gedacht zu helfen. Und das würde sie jetzt auch tun.
    Steve beugte sich über die Reling und wartete, bis Joe und David ans Heck der »SeaSpirit« gepaddelt waren und ihm ein Zeichen gaben. Wenig später surrte über die Winde ein Seil herab, an dessen Ende sich ein Haken befand. David nahm ihn in Empfang, und Joe paddelte zum zweiten Schlauchboot zurück. Masao hatte bereits das Netz in den Händen und befestigte es sogleich an dem Haken, den David ihm reichte. Dann fing die Winde an zu arbeiten, das Netz spannte sich langsam und hob sich ein Stück aus dem Wasser.
    »Ihr vorne, wir hinten«,

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