Lied des Schicksals
Wunsch, meine Jungfräulichkeit zu verlieren, und ich möchte auch nicht über dieses Thema diskutieren. Als meine Anstandsdame sollten Sie mich vor Lüstlingen beschützen und mich nicht ermutigen, mir einen Liebhaber zu nehmen.«
Madame reagierte gereizt. »Ich habe dir nur meine Meinung gesagt. Ich bezweifele nämlich, dass du je einen besseren ersten Liebhaber finden wirst als Benito.«
»Ich will keinen âºerstenâ¹ Liebhaber und keinen âºletztenâ¹ und auch keinen dazwischen. Es gibt nur einen Mann, den ich jemals lieben werde, und er wird der erste und der letzte Mann sein, der meinen Körper besitzt.«
Madame saà plötzlich kerzengerade. »Du hast einen Liebhaber? Wer ist er? Warum weià ich nichts davon?«
Etty knirschte entnervt mit den Zähnen. »Weil er nicht mein Liebhaber ist. Er ist â ach, lassen wir doch dieses Gerede. Ich gehe jetzt aus, und zwar alleine. Ich werde mich bemühen, Benito aus dem Weg zu gehen, also geben Sie die Hoffnung auf, dass ich seinen Verführungskünsten erliegen werde.«
Madame beharrte jedoch auf ihrer Meinung, dass Etty an einem Punkt in ihrem Leben angekommen sei, an dem sie die Erfahrung körperlicher Liebe brauche. Auch wenn sie klug genug war, Etty nicht noch einmal unverblümt vorzuschlagen, sie solle sich den Tenor als Liebhaber nehmen, nutzte sie doch jede Gelegenheit, Etty die Idee irgendwie nahezubringen.
Als das Ensemble in Sydney ankam, konnte Etty sowohl Madames Anspielungen als auch Benito Relias Avancen nicht länger ertragen. Zwar wollte sie das Ensemble nicht verlassen, was sie auch gar nicht gekonnt hätte, ohne ihren Vertrag zu brechen und groÃes Chaos auszulösen, doch sie war zu dem Schluss gekommen, dass etwas geschehen musste. In ihrer Verzweiflung wandte sie sich an Signor Ruggeiri, weil sie wusste, dass er keinen seiner beiden Starsänger verlieren wollte.
Sie trafen sich zum Morgentee in einem Café mit Blick auf den Hafen, wo sie ganz sicher nicht von anderen Mitgliedern des Ensembles behelligt werden würden. Signor Ruggeiri war bereits da, als sie kam, und stand auf, bis sie sich hingesetzt hatte. Sie bestellten zweimal Devonshire Tea.
»Sie sehen ein wenig angespannt aus, Henrietta. Gibt es ein Problem, über das Sie mit mir reden möchten?«
»Ja, Signor, auch wenn ich nicht weiÃ, was Sie dann von mir denken werden.«
»Wollen Sie mir etwa sagen, dass Sie mein Ensemble verlassen möchten?«
Völlig verblüfft, weil sie tatsächlich nahe dran gewesen war, schüttelte Etty nur den Kopf.
»Dann sehe ich keinen Grund, weshalb ich schlecht von Ihnen denken sollte.«
Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Das Opernensemble war Signor Ruggeiris Ein und Alles. »Ich möchte sehr gerne beim Ensemble bleiben. Und ich hoffe auch, dass ich mit Ihnen nach Italien gehen kann. Es gibt jedoch ein Problem, von dem ich nicht mehr weiÃ, wie ich damit umgehen soll.«
In dem Moment kam der Ober mit einem Tablett, auf dem eine Teekanne, Tassen und Unterteller, Zuckerdose und Milchkännchen standen. Er stellte alles auf den Tisch und sagte, er würde den Rest gleich bringen. Etty starrte über die StraÃe zum Hafen, bis auch Teebrötchen, Sahne und Erdbeermarmelade vor ihnen standen.
Sie schenkte Signor Ruggeiri und sich selbst Tee ein, brach ein Teebrötchen durch und bestrich es mit reichlich Marmelade und Sahne. Sie führte es halb zum Mund, doch dann legte sie es wieder auf den Teller. Sie konnte nicht essen, bevor sie ausgesprochen hatte, was sie bedrückte.
»Signor Ruggeiri, im Ensemble gibt es einen Mann, der mich mit seinen Annäherungsversuchen belästigt. Er ignoriert all meine Versuche, ihn zu entmutigen. Mittlerweile fühle ich mich sehr unwohl, wenn er in der Nähe ist.«
»Ah, Benito.«
Etty blieb beinahe die Luft weg. »Sie wissen das? Sie haben gesehen, wie er mir nachstellt? Warum haben Sie denn nichts gesagt?«
Der Signor strich über seinen dünnen Schnurrbart. »Mir war nicht klar, dass Sie Benitos Aufmerksamkeit als so unangenehm empfinden.«
»Das haben Sie nicht bemerkt? Sie müssen doch gesehen haben, dass ich ihn ständig zurückgewiesen habe.«
»Das stimmt. Ich muss gestehen, Henrietta, dass ich das Ganze mit einigem Amüsement beobachtet habe und mich gefragt habe, wer wohl als Erster nachgeben würde. Nun nehmen Sie doch bitte wieder
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