Lied des Schicksals
Dennoch sprach er steif und formal seine Glückwünsche aus, die von Etty freundlich entgegengenommen wurden, während Alistair ihn mit einem herausfordernden Blick ansah, der deutlich besagte: »Etty ist jetzt meine Verlobte. Wenn du sie belästigt, kriegst du es mit mir zu tun.«
Auch wenn Alistairs wahre Liebe ein Mann gewesen war, hatte er nichts Verweichlichtes an sich. Schon in jungen Jahren hatte er gelernt, sich körperlich zu verteidigen. Ein hübscher blonder Junge mit einer Vorliebe für Musik und einer Abneigung gegen Sport war ein naheliegendes Opfer für Schulhofschläger.
Signor Ruggeiri erklärte, dass dieser Anlass gefeiert werden müsse. »Wir geben noch drei Vorführungen, dann veranstalten wir eine groÃe Party, bevor wir nach Neuseeland reisen.«
Etty war dagegen. Eine Party, um eine Scheinverlobung zu feiern, schien ihr eine geschmacklose Farce. Alistair riet ihr jedoch, sich in das Unvermeidliche zu fügen.
»Sieh es doch einfach als Abschlussparty der Australien-Tournee an, wenn du dich dann besser fühlst. Wir müssen vielleicht den einen oder anderen Toast auf unser künftiges Glück über uns ergehen lassen, doch ansonsten wird es den Leuten bei der Party weniger um unsere Verlobung gehen, als um die Gelegenheit zu essen, zu trinken und fröhlich zu sein.«
Zwischen der letzten Aufführung in Sydney und der Abreise ihres Schiffs nach Neuseeland blieb noch eine Woche Zeit. Etty, Alistair und Madame nutzten die Gelegenheit, um noch einmal gemeinsam die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu erkunden. Sie unternahmen eine Hafenrundfahrt, durchstreiften den Stadtteil The Rocks, der vor fast hundert Jahren erbaut worden war, und bewunderten die schönen Villen in Rose Bay.
An einem sonnigen Tag fuhren sie nach Brighton, um am Strand spazieren zu gehen. Keiner von ihnen hatte je einen solchen Strand gesehen. Goldener Sand, so weit das Auge reichte, und ein blaugrüner Ozean, dessen mit weiÃen Schaumkronen besetzte Wellen auf den Strand rollten, wo sie sprudelnd über den Sand wirbelten, bevor sie wieder zurückwichen. BarfüÃige Jungen, die sich die Hosen bis zu den Knien aufgerollt hatten, tollten am Wasser herum, während ihre Schwestern in Schuhen und Strümpfen neidisch zusahen.
Graue und weiÃe Möwen kreisten schreiend über ihnen. Ab und zu schoss eine im Sturzflug aufs Wasser hinab, in der Hoffnung, einen Fisch zu erwischen. Zufrieden atmete Etty die Seeluft tief ein, während sie über den Sand schlenderten.
»Der Strand hat einen ganz eigenen Geruch. Er ist überhaupt nicht mit dem der Weiden zu Hause, mit denen des Buschs oder der Stadt zu vergleichen. Es gefällt mir, wie es an der Küste riecht.«
»Nach Salzwasser und Seetang«, sagte Alistair. »Seht mal die Sandburg, die der Junge da gebaut hat. Die ist ja fantastisch.«
Er zeigte auf einen etwa sechsjährigen Jungen, der gerade sorgfältig einen Graben um die Sandburg zog, die er gebaut hatte. Der Junge war ganz in seine Arbeit vertieft und offensichtlich froh, für sich zu sein, statt mit ein paar älteren Jungen in der Nähe Ball zu spielen. Bestürzt blickte er auf, als der Ball in seine Burg krachte.
Etty war empört. »Diese Kerle haben den Ball mit Absicht auf die Burg geworfen. Wie können sie nur so gemein sein?«
Während die Jungen lachten und den Burgenbauer verhöhnten, der in Tränen ausgebrochen war, ging Alistair mit groÃen Schritten über den Sand und packte den offenkundigen Anführer der Gruppe im Nacken. Von keinem der Halbwüchsigen schien ein Elternteil oder ein Betreuer da zu sein, der darauf achtete, dass sie sich benahmen.
»Entschuldige dich! Sofort!« Alistair schob den sich hin und her windenden Jungen zu der zerstörten Sandburg und hielt ihn erbarmungslos fest, bis er eine Entschuldigung gemurmelt hatte. »Und jetzt macht, dass ihr fortkommt. Nehmt euren Ball mit, und achtet in Zukunft darauf, wo ihr ihn hinwerft.«
Dann hockte sich Alistair neben den Jüngeren. »Du brauchst nicht zu weinen. Wir bauen zusammen eine noch schönere Sandburg. Was hältst du davon?«
Der Junge nickte. Er hatte vor Ãberraschung ganz groÃe Augen bekommen.
»Wo sind denn deine Eltern?«, fragte Alistair. Er hielt es für geraten, sie von seiner Vertrauenswürdigkeit zu überzeugen.
»Meine Oma ist da drüben.«
Alistair drehte den
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