Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lied des Schicksals

Lied des Schicksals

Titel: Lied des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merice Briffa
Vom Netzwerk:
fort. Als er sich aus dem Fenster beugte, stellte Darcy überrascht fest, wie gut die sechs Pferde miteinander harmonierten. Die sechs rechten Vorderbeine trafen ebenso gleichzeitig auf dem Boden auf wie die sechs linken Vorderbeine. Die Hinterbeine bewegten sich nach dem gleichen Muster. Während er den Kopf wieder einzog, überlegte er, vielleicht den Kutscher zu fragen, ob er später am Tag, wenn es etwas kühler wurde, neben ihm oben auf dem Bock sitzen dürfe.
    Alle zehn bis zwanzig Meilen hielten sie bei einer Poststation an. Die Fahrgäste waren froh, sich ein paar Minuten die Beine vertreten zu können, während die Pferde ausgewechselt wurden. Um die Mittagszeit machten sie eine längere Pause in einem Gasthof, der Essen und Erfrischungen für die Reisenden anbot.
    Die korpulente Frau, die mit ihrer anmaßenden Art den übrigen Fahrgästen auf die Nerven gegangen war, wurde im Laufe der Fahrt immer stiller, da ihr von dem ständigen Schaukeln der Kutsche übel wurde. Eine Zeit lang beklagte sie sich zwar noch, dass es ihr nicht gut gehe, bis ihr die Frau des Gastwirts in der Mittagspause ein Gebräu gegen die Übelkeit gab. Die Wirtsfrau war mit den Beschwerden vertraut, die das Reisen in einer Kutsche bei vielen Fahrgästen auslöste, insbesondere bei Frauen, und hatte deshalb stets einen Vorrat von ihrem Spezialgebräu zur Hand. Es handelte sich dabei um einen Sud aus Blättern und Wurzeln von heimischen Pflanzen, die in der Nähe wuchsen. Das Rezept hatte sie von einer alten Aborigine-Frau. Was auch immer die genaue Zusammensetzung des Gebräus war, auf jeden Fall brachte es die Frau, die daraufhin den größten Teil des Nachmittags döste, zur großen Erleichterung der übrigen Fahrgäste zum Schweigen.
    Die erste Nacht verbrachten sie in Bordertown, wo Zollbeamte sowohl aus Victoria als auch aus Südaustralien gewissenhaft überprüften, ob auch niemand zollpflichtige Güter über die Grenze brachte, ohne die entsprechende Gebühr zu zahlen. Am zweiten Abend übernachteten sie in Horsham. Nachdem sie zwei Tage auf engstem Raum in der Postkutsche verbracht hatten, unterhielten sich die Fahrgäste mittlerweile recht lebhaft miteinander. Das heißt alle bis auf den Prediger, der weiterhin stur in seiner Bibel las. Er hätte genauso gut taub sein können, so wenig Notiz nahm er von den Gesprächen um ihn herum. Alle anderen Fahrgäste äußerten sich jedoch sehr froh darüber, als sich das Ehepaar in Horsham verabschiedete.
    Da am nächsten Morgen keine neuen Fahrgäste zustiegen, hatten die verbliebenen Reisenden mehr Platz und konnten es sich etwas bequemer machen. Die junge Frau, die sich als Mrs Harriet Jones vorgestellt hatte, erzählte, dass sie nach Ballarat wollte, wo ihr Mann bei einem der großen Bergbauunternehmen beschäftigt war, die jetzt die alten Goldfelder von Ballarat betrieben. Darcy fand die Frau sehr sympathisch, und so plauderten die beiden freundlich miteinander.
    Mittags hielten sie in Ararat. Von dort aus waren es nur noch etwas mehr als fünfzig Meilen bis nach Ballarat, wo sie die letzte Nacht verbringen sollten, bevor die Kutsche am nächsten Morgen zur letzten Etappe nach Melbourne aufbrach. Am Nachmittag gerieten sie in ein schweres Unwetter. Rasch wurden die Lederjalousien über die offenen Fenster neben den äußeren Sitzplätzen gezogen. Nun drang nur noch durch die Glasfenster der Türen und die schmalen Streifen Glas oben auf beiden Seiten Licht in die Kutsche. Wegen des Unwetters wurde es draußen aber schon bald so dunkel, dass die Reisenden einander kaum noch erkannten, außer wenn ein heller Blitz aufleuchtete.
    Mrs Harriet Jones hatte eine solche Angst vor dem Gewitter, dass sie heftig zu zittern anfing. Darcy versuchte, sie zu beruhigen, indem er ganz behutsam ihre Hand berührte. Sie sah ihn an und sagte mit bebender Stimme: »Würden Sie es für unverschämt halten, wenn ich Sie bitten würde, Ihren Arm um mich zu legen?«
    Â»Fühlen Sie sich dann sicherer?«
    Â»Ja, das werde ich bestimmt. Ich habe furchtbare Angst vor Gewitter.«
    Und so saß Darcy da, einen Arm um Mrs Jones’ Schultern gelegt, als die Kutsche plötzlich so gewaltig vor- und zurückschaukelte, dass die Insassen von ihren Plätzen geschleudert wurden. Sie wurden noch einige Sekunden durchgeschüttelt, dann neigte sich die Kutsche gefährlich

Weitere Kostenlose Bücher