Lied des Schicksals
vielleicht eines Tages brauchen.
Dieser Tag ist jetzt gekommen, Joshua. Ich werde mit dem Geld, das ich durch dich erhalten habe, Riverview zurückkaufen. Nelson, Darcy und ich werden die Farm so wiederherstellen, wie sie früher war. Morgen werden Darcy und ich dein Grab in Ordnung bringen. Ich weiÃ, dass mein Sohn dich sehr geliebt hat.«
So wie Joshua Darcy geliebt hatte; so wie er erklärt hatte, sie zu lieben.
»Ich glaube, ich hatte angefangen, dich ebenfalls zu lieben, trotz allem, was zwischen uns geschehen war.«
In Gedanken sah sie vor sich, wie Joshua gestorben war; wie sein Versuch, sie zu küssen, die bittere Erinnerung an die Vergewaltigung wieder geweckt hatte; wie die Wucht, mit der sie ihn von sich gestoÃen hatte, ihn zu Boden geworfen hatte, direkt neben eine Todesotter. Jahre mussten vergehen, bevor sie sich mit dem Wissen abfinden konnte, dass sie für seinen Tod verantwortlich war.
Für Joshua und für Charles und Mary, die sie wie eine Tochter aufgezogen hatten, würde sie Riverview wieder instand setzen. Auch für Darcy würde sie es tun. Ihr Sohn würde seinen Stolz wiederfinden, wenn er wüsste, dass er eines Tages eine eigene Farm besitzen würde.
Das kleine Problem, dass Aborigines keinen Grundbesitz haben durften, schreckte sie nicht im Geringsten ab. Sie war sich sicher, dass Con Trevannick eine Möglichkeit finden würde, dieses Gesetz zu umgehen.
10
W ährend die Formalitäten für den Verkauf der Farm abgewickelt wurden, wurde der alte Mann unter minimalem Protest von seinem Sohn fortgebracht. Allerdings war er vom Alkohol so benommen, dass er gar nicht genau mitbekam, was mit ihm geschah. Weder Jane noch Nelson wussten, unter welchem Vorwand man den Alten dazu bewegt hatte, das Haus zu verlassen. Sie machten sich auch keine Gedanken darüber, welcher Kampf dem Sohn bevorstünde, wenn sein Vater schlieÃlich merkte, dass man ihn nach Adelaide in eine Heilanstalt brachte.
Nachdem sie die notwendigen Schritte eingeleitet hatten, um Riverview zu erwerben, waren sie sofort nach Langsdale zurückgekehrt. Die erwarteten Schwierigkeiten blieben aus, da Nelsons Geburt offiziell von seinem weiÃen Vater angezeigt worden war. Sobald sie sicher wussten, dass Riverview in Kürze ihnen gehören würde, begann Jane, ihr Hab und Gut für den Transport zu packen. Sie würden so bald wie möglich reisen, bevor die sinkenden Wasserpegel den Flussverkehr während der Sommermonate zum Stillstand brachten.
Louisa erzählte Darcy, dass sie vielleicht ebenfalls Langsdale verlassen werde. »Wenn Onkel Con den Zuschlag für das Objekt in Swan Hill erhält, wird mein Vater dort Verwalter, und wir werden alle dort wohnen. Dann ist Ruan der Letzte von uns, der auf Langsdale bleibt.« Louisa seufzte betrübt über das Auseinanderbrechen ihrer engen Freundschaft.
»Wir werden uns schreiben, Louisa. Vielleicht können wir uns auch ab und zu besuchen.«
»Das hoffe ich sehr. Ich werde dich vermissen, Darcy.«
»Ich werde dich auch vermissen.« Und das meinte er ehrlich.
Nelson schätzte, dass es zwei Jahre unermüdliche harte Arbeit kosten würde, bis es auf Riverview wieder ungefähr so aussah wie bei Joshuas Tod. Sobald sie die Farm in Besitz genommen hatten, arbeiteten Nelson, Jane und Darcy vom frühen Morgen bis zum Einbruch der Dunkelheit. Nelson und Darcy waren häufig sogar schon auf den Beinen, noch ehe der Himmel anfing hell zu werden und den neuen Tag ankündigte. Darcy wachte stets auf, wenn der erste Kookaburra, eine Eisvogelart, seine Freude über das baldige Ende der Nacht in die Welt hinauslachte. Sobald die anderen Kookaburras antworteten, stand er auf und zog sich an.
Die kühle sanfte Morgendämmerung war ihm die liebste Tageszeit, kostbare Zeit, in der er völlig allein sein konnte. In diesen Minuten hing er ganz seinen allerpersönlichsten Gedanken nach. Er machte es sich zur Gewohnheit, hinunter zum Fluss zu gehen und sich ans Ufer zu setzen, während die Natur und ihre Geschöpfe erwachten. Von dort beobachtete er, wie das rosafarbene Morgenlicht zwischen den Bäumen am gegenüberliegenden Ufer hindurchspähte und Dunstschwaden wie Geister über dem Wasser aufstiegen.
Er war immer noch verbittert darüber, wie die Universität ihn behandelt hatte, obwohl ihm das auf Riverview weniger zu schaffen machte, als es das auf Langsdale getan hatte.
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