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Liegen lernen

Liegen lernen

Titel: Liegen lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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Metall-Dinger da unten?«
    »Das sind Wilfrieds Skulpturen.«
    »Wilfried?«
    »Juttas Mann. Mein Vater.«
    Jutta und Wilfried. Ich glaube, meine Eltern hießen als Kinder schon Mama und Papa.
    »Viele Bücher«, sagte ich.
    »Wilfried wußte nicht mehr wohin mit den Büchern, und da hat er sie bei mir geparkt. Prima, was?«
    Ich fragte mich, ob mein Vater eines Tages seine Schlagersingles bei mir »parken« würde, wenn der Keller einmal zu klein wäre.
    »Was liest du denn so?« fragte sie mich jetzt, mit Betonung auf dem »Du«. »Ich?«
    »Ist sonst noch wer hier?«
    »Ich lese morgens die Zeitung.« Britta lachte. »Du bist witzig.«
    Das verstand ich zwar nicht, aber es hörte sich gut an. »Nee, jetzt aber mal im Ernst, was liest du denn so?«
    »Ich lese nicht so viel.«
    »Solltest du aber. Lesen macht schlau.«
    »Ich lese natürlich den Spiegel«, log ich. »Na, das ist doch schon mal was«, sagte Britta. »Warte mal«, fügte sie hinzu, »ich habe da was für dich, das wird dir gefallen.« Sie ging an ihrem Regal entlang, suchte und fand ein bestimmtes Buch, fischte es heraus und gab es mir. Auf dem Umschlag war ein Bild, dessen Ecken abgerundet waren. Es zeigte eine männliche Gestalt, die in der Luft zu schweben schien, und an Stelle eines Kopfes war nur ein weißer Lichtschein zu sehen. Links schien aus einem Loch im Hintergrund ein grauer Wasserfall zu entspringen. Rechts war eine kleine Figur zu erkennen, die wie ein Bauer mit Sombrero aussah. Außerdem hingen grüne Bäume und Hügel in der Luft. Zu den Füßen des schwebenden Mannes wand sich so etwas wie eine Straße nach hinten weg. Das Buch hieß »Reise nach Ixtlan. Die Lehre des Don Juan«. Von Carlos Castaneda. Ich drehte das Buch um. Hinten stand drauf, es ginge in dem Buch um extreme Sinneswahrnehmungen und außergewöhnliche Bewußtseinszustände, die nüchtern und aggressiv geschildert würden. Ich schlug es auf. Das erste Kapitel hieß: »Bestätigungen durch die Welt um uns her«.
    »Du kannst es behalten«, sagte Britta. »Danke!« Die Seiten waren vergilbt, und ganz vorne war eine Widmung zu lesen: »Für Wilfried. In Liebe von Brigitte«.
    »Ich dachte, deine Mutter heißt Jutta!«
    »Brigitte ist die Exfreundin meines Vaters.«
    »Exfreundin?«
    »Manche Menschen haben mehr als eine Beziehung in ihrem Leben.«
    Beziehung? Meine Eltern waren miteinander verheiratet, das schien ihnen zu reichen.
    »Lies es und sag mir, was du davon hältst!«
    »Jawohl!« sagte ich.
    Dann setzten wir uns an den Schreibtisch und fingen an zu arbeiten. Britta redete, und ich sagte »Ja« oder machte »Aha«. Wir saßen ganz dicht zusammen. Sie roch nach Parfüm und Apfelshampoo, mit einer ganz kleinen Prise Schweiß.
    »Das Problem ist«, sagte Britta, »daß gerade ältere Leute immer noch denken, die Amerikaner seien die, die Hitler in die Knie gezwungen haben.«
    »Haben sie nicht?«
    »Doch natürlich haben sie das, allerdings nur mit Unterstützung der Roten Armee, was heute gern vergessen wird.«
    Wurde es das?
    »Nur allzu bereitwillig überläßt man also den Amerikanern…«
    Britta redete weiter. Ich dachte daran, daß ich als Kind oft Amerikaner gegessen hatte. Mit einem Glas Milch.
    »… und Daniel Ortega hat erst kürzlich bei seinem Gespräch mit Fidel Castro… Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?«
    »Was? Wer? Ich?«
    »Wo bist du nur mit deinen Gedanken?«
    »Ich bin voll da. Völlig konzentriert.«
    »Das stimmt doch gar nicht!«
    »Ich… äh…«
    Sie lächelte mich an, und wir beugten uns wieder über das Stück Papier, das mal ein Flugblatt werden sollte. Sie fragte mich, ob ich das eine wohl so besser fände und das andere besser so, und ich sagte, das könne man sehen, wie man will, und sie sagte aha und entschied sich dann für eine der beiden Möglichkeiten, und ich dankte Ronald Reagan dafür, daß er so ein Arschloch war und überall gefährliche Manöver abhielt und die Russen in die Steinzeit zurückbomben wollte, denn sonst hätte ich nicht hier sitzen und die Welt vor ihm retten können. »Du paßt schon wieder nicht auf!« Ich schluckte. Dann beugte sie sich vor und küßte mich.
    l Mir wurde sehr warm. Ich sah nichts mehr außer ihrem Gesicht. Ich sah, wie die Brauen aus ihrer Stirn kamen, und ich sah, daß sie ein paar ganz feine Härchen über der Oberlippe
    l hatte. Sie küßte mich noch mal. Ihre Lippen waren ganz weich. Ihre Zunge fand einen Spalt zwischen meinen Zähnen und berührte meine Zunge. Britta nahm

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