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Liegen lernen

Liegen lernen

Titel: Liegen lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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mir leid, du bist zu schön, ich kann mir nicht vorstellen, mit dir allein in einem Zimmer zu sein?
    Ich tat also, was ich immer tat, wenn ich nicht wußte, was ich tun sollte: Ich tat gar nichts. Ich gehorchte einfach. Genau, das war es: Das alles unterlag gar nicht mehr meiner Entscheidung. Ich hatte einen Befehl bekommen, und es war unmöglich, diesen Befehl zu verweigern. Ich war aus dem Schneider. Ich konnte zu Britta fahren und mußte mich nicht mal entscheiden, es zu tun. Am nächsten Tag setzte ich mich also in den Bus und fuhr hin zu ihr. Sie wohnte ziemlich weit draußen. Ich mußte bis zur Endstation fahren und dann noch mal eine Viertelstunde laufen. Ich kam durch einen kleinen Wald, und dann war ich da: ein altes Fachwerkhaus mit einer großen, ausladenden Rasenfläche drum herum, von hohen Pappeln begrenzt. In den Blumenbeeten standen große, aufgespießte Christbaumkugeln. Ich setzte mich hinter einen Baum und wartete. Ich war zu früh. Ich hatte noch eine halbe Stunde Zeit.
    Nach der halben Stunde stand ich auf und ging auf das Haus zu. Da war eine schmale, niedrige Tür, daneben hing eine Kette mit einem Porzellangriff. Da ich keine Klingel sah, zog ich an der Kette. Von drinnen hörte ich eine Kuhglocke. Ich wartete ein paar Sekunden, dann ging die Tür auf, und vor mir stand eine Frau, die aussah wie Britta, nur etwas älter. Die Frau war barfuß, trug eine Jeans und ein rotes Unterhemd. Sie hatte Brüste. Ihre Hände waren mit etwas verschmiert, von dem ich hoffte, daß es nur Ton war.
    »Hallo, ich bin die Jutta«, sagte sie und blies sich eine Strähne aus dem Gesicht. »Bist du der Helmut?«
    »Ich bin der Helmut.«
    »Und du willst zur Britta?«
    »Ich will zur Britta.«
    »Britta ist oben. In ihrem Bereich.«
    Ich sagte nichts.
    »In ihrem Zimmer.«
    »Oben?«
    »Hier vorne durch die Tür, quer durch die Galerie, rechts die Treppe rauf, dann links, noch mal ’ne kleine Treppe, und dann bist du auch schon da. Viel Spaß.« Viel Spaß? Ich war für den Weltfrieden und die Menschenrechte unterwegs, das hatte mit Spaß nichts zu tun!
    Ich ging durch einen hohen Raum, der früher die Scheune gewesen war. Die Stirnseite war komplett aus Glas. Eine Schiebetür führte nach draußen. Die Bäume standen ganz dicht am Haus, und es war dunkel. An den Wänden hingen Bilder, aber ich konnte nicht erkennen, was drauf war. In der Mitte des Raumes standen Gebilde aus Metall. Kolben, Zahnräder und lange gewundene Drähte. Vielleicht wurden hier ja auch Autos repariert. Rechts war eine alte, schwere Holztür. Dahinter war eine Treppe. Ich ging hoch. An den Wänden und unter der Dekke hingen wallende, hellblaue Tücher und auf die Tücher waren Zwiebackscheiben geklebt.
    Ich kam zu einer Tür und klopfte. Von drinnen kam nur ein knappes Ja, und ich öffnete die Tür und ging hinein. Britta stand auf einem Stuhl, trug nur Höschen und T-Shirt und Streckte sich nach etwas, das auf einem hohen Regal ganz oben lag. Ruckartig senkte ich den Blick und fing an, den Teppichboden auswendig zu lernen. Dummerweise war da gar kein Teppich, sondern wieder nur Parkettboden. Und doch war es interessant zu sehen, daß keine zwei Planken eines solchen Bodens sich glichen. Und wenn man sich anstrengte, konnte man sehr wohl interessante Muster entdecken: kleine Schäfchen, die einander jagten, ein dicker Mann, der Wolken vor sich her blies, eine Blaskapelle aus kleinwüchsigen Chinesen und ein interessantes Ensemble von vier Delphinen, die maritime Kunststücke zeigten.
    Britta hatte gefunden, wonach sie gesucht hatte, stieg von dem Stuhl herunter und zog sich eine Jeans an. »Hier«, sagte sie dann, »das ist wichtig!«, und drückte mir das Buch in die Hand. Es hieß »Der große Bruder im Norden« und beschäftigte sich mit der amerikanischen Außenpolitik in Mittelamerika.
    Ich sah mir das Zimmer an. Die Wände waren lila, und überall klebten blaue und weiße Sternchen. Unter der Decke hingen die gleichen tüllenen Tücher wie draußen auf dem Gang. In der Ekke lag eine Matratze mit einem schwarzen Spannbetttuch und roter Bettwäsche. Auf dem Boden daneben eine Stereoanlage und ein paar Platten, unter dem Fenster ein Schreibtisch, mit Papier überhäuft, an den Wänden prall gefüllte Bücherregale bis unter die Decke.
    »Draußen hängt Zwieback an der Wand!« sagte ich.
    »Ist witzig, nicht wahr?«
    »Wie hält der denn auf dem Tuch?«
    »Pattex.«
    Naja, was hatte ich denn gedacht? Spucke?
    »Und was sind das für

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