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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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zusätzlichen Kick verlieh. Ich habe Heroin nie als etwas betrachtet, das mir bei der Musik geholfen oder mich von ihr abgelenkt hat. Ob auf Drogen oder nicht - »Gimme Shelter« hätte ich wahrscheinlich so oder so geschrieben. Heroin beeinträchtigt weniger das Urteilsvermögen, es macht einen höchstens hartnäckiger, man bleibt länger an einer Sache dran, man wirft nicht gleich die Brocken hin und sagt: Scheiß drauf, das schaff ich sowieso nicht. Auf Heroin ackert und ackert man weiter, bis man die Lösung gefunden hat. Ich habe nie diesen Schwachsinn geglaubt, dass all diese Saxofonisten deshalb auf Drogen eingestiegen seien, weil sie meinten, sie wären der Grund für Charlie Parkers Genie gewesen. Wie alles andere auf der Welt kann es gut oder schlecht für dich sein. Ein Klumpen Heroin, der auf dem Tisch liegt, ist zunächst einmal vollkommen harmlos. Die Frage ist, probierst du das Zeug? Ich habe wirklich haufenweise
Drogen genommen, die ich nicht mochte und auch nie wieder angerührt habe.
    Fakt ist jedoch, dass ich mich mit Heroin besser auf meine Arbeit konzentrieren und sie besser zu Ende bringen konnte als ohne. Aber das soll keine Empfehlung sein. Das Leben eines Junkies sollte man niemandem empfehlen. Ich bewegte mich in den obersten Kreisen, und trotzdem war ich ganz schön weit unten. Es ist sicherlich nicht der Weg zu musikalischer oder sonstiger Genialität. Für mich war es ein Balanceakt. Ich hatte so viel auf einmal zu tun. Zum Beispiel hatte ich einen interessanten Song geschrieben, wollte Aufnahmen davon, und arbeitete - perfekt ausbalanciert zwischen Kokain und Heroin - fünf Tage daran. Das Problem war bloß, dass ich nach sechs oder sieben Tagen die richtige Mischung vergaß. Oder mir ging der eine oder der andere Stoff aus. Dauernd musste ich über Nachschub nachdenken. Der Schlüssel für mein Überleben war, dass ich mir die Kräfte einteilte.
    Ich habe es eigentlich nie übertrieben. Nun ja, nie stimmt vielleicht nicht ganz: Manchmal war mein Zustand nur mit dem Wort Vollkoma zu umschreiben. Das Zeug wurde für mich tatsächlich zu einer Art Werkzeug. Ich erkannte, dass ich mit Turbo unterwegs war und alle anderen nicht. Ich brannte, während die anderen lediglich versuchten, den Anschluss nicht zu verlieren. Ich konnte immer weitermachen, weil mein Kokain reinster Stoff war, höchste Oktanzahl, und wenn ich das Gefühl hatte, dass ich überdrehte, dass ich ein bisschen runterkommen musste, dann wurde mit ein bisschen Heroin gegengesteuert. Das hört sich jetzt vielleicht komisch an, aber das war mein Treibstoff: Speedballs.
    Nun muss ich noch einmal nachdrücklich jeden, der diese Zeilen liest, darauf hinweisen, dass es sich dabei um das allerfeinste Kokain und das allerreinste Heroin handelte. Das war kein Mist von der Straße, kein mexikanischer Dreck. Das war der echte Stoff.
Ich kam mir damals vor wie Sherlock Holmes. Ich wandelte auf einem schmalen Grat zwischen Morbidität und Leichtsinn. Ich konnte Tag um Tag um Tag durchhalten und merkte gar nicht, dass ich damit andere Menschen mit hineinzog.
    Im Laufe der Zeit lernte ich John Lennon besser kennen. Er und Yoko schauten oft vorbei, wir waren viel zusammen. Der Punkt bei John war, dass er trotz seines vielgepriesenen Draufgängertums mein Tempo nicht mitgehen konnte. Alles, was ich nahm, versuchte er auch. Ein bisschen hiervon, ein bisschen davon, ein paar Downer, ein paar Upper, Koks und Heroin - und dann fing ich mit der Arbeit an. Nach mir die Sintflut. John hingegen landete unweigerlich im Bad und küsste die Kloschüssel. Er war das schlicht nicht gewohnt.
    Yoko, die sich im Hintergrund hielt, sagte immer: »Er sollte das wirklich nicht tun.« Und ich: »Klar, aber ich zwing ihn ja nicht.« Und er kam immer wieder und wollte mehr. Ich erinnere mich noch an einen Abend im Plaza Hotel, als er in meinem Zimmer auftauchte und im nächsten Moment wieder verschwunden war. Ich plaudere mit den Mädchen, und plötzlich fragen sie alle, wo John abgeblieben ist. Ich marschiere also ins Bad, und da liegt er auf den Fliesen. Zu viel Rotwein und ein bisschen Heroin. Er kotzte wie ein Reiher. »Lass mich liegen, die Fliesen sind so wunderschön.« Sein Gesicht war grässlich grün. Manchmal hab ich mich gefragt: Kommen die Typen eigentlich wegen mir vorbei, oder läuft da irgendein Wettbewerb, von dem ich nichts weiß? Ich kann mich nicht erinnern, dass John mein Haus jemals anders als in der Horizontalen verließ - oder zwischen zwei

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