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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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arbeiten. Als wir dann ein bisschen gejammt hatten, war aber alles in Butter.
    Ich fragte Johnnie Johnson, wie damals »Sweet Little Sixteen« und »Little Queenie« entstanden waren. Und er sagte, Chuck hätte den Text gehabt, sie hätten zusammen ein bisschen mit dem Bluesschema herumprobiert, und er hätte dann die Akkordfolge festgelegt. Ich sagte: »Johnnie, das nennt man Songwriting. Dafür stehen dir mindestens fünfzig Prozent zu. Du hättest dich meinetwegen noch auf vierzig runterhandeln lassen können, okay, aber du hast diese Songs mit ihm zusammen geschrieben.« So hätte er das nie betrachtet, er habe einfach immer nur das gemacht, was er konnte. Steve und ich fingen an, die Songs zu sezieren. Wir fanden raus, dass alles, was Chuck geschrieben hatte, in Es oder Cis war - Klaviertonarten! Das war ein schlechtes Zeichen. Es und Cis sind nicht gerade großartige Tonarten für die Gitarre. Offensichtlich waren die meisten der Songs auf dem Klavier komponiert worden, und dann erst war Chuck eingestiegen, indem er mit seinen riesigen Händen dazu Barréakkorde spielte. Ich hatte den Verdacht, dass er Johnnie Johnsons linker Hand folgte!
    Chucks Hände sind groß genug für all diese Barrégriffe. Sehr lange, schlanke Finger. Es dauerte noch ein paar Jahre, bis ich herausfand, wie man auch mit kleineren Händen so einen Sound hinbekommt. Als ich den Newport-Film Jazz on a Summer’s Day sah,
in dem er »Sweet Little Sixteen« spielte, achtete ich darauf, wie und wohin sich seine Hände und Finger bewegten, und erkannte: Wenn ich das, was er spielte, in Gitarrentonarten transponierte, in etwas mit einem Grundton, könnte ich zu meinem ganz eigenen Swing finden. Genau wie Chuck. Das Wunderschöne an Chuck Berrys Spiel ist, dass seine Musik so unangestrengt swingt. Kein Schwitzen, keine Plackerei, kein Grimassieren, nichts als reiner, müheloser Swing.
    Chuck und Johnnie zusammenzubringen, war gelinde gesagt eine fantastische Idee. Es war hochinteressant, wie sie aufeinander eingingen. Sie hatten so lange nicht mehr zusammen gespielt. Allein Johnnies Anwesenheit erinnerte Chuck daran, wie es mal gewesen war. Chuck musste sich erst wieder auf Johnnies Niveau hocharbeiten. Er hatte jahrelang mit Luschen gespielt, immer mit der billigsten Band der Stadt. Er fuhr mit seiner Aktentasche vor, nach dem Gig fuhr er gleich wieder weg. Unter dem eigenen Niveau zu spielen, zerstört die Seele eines Musikers. Und er hatte das seit Ewigkeiten gemacht, bis zu dem Punkt, an dem die Einstellung zu seiner Musik vollkommen zynisch geworden war. Wenn Johnnie rockte, sagte Chuck manchmal: »Hey, kennst du das noch?«, und wechselte plötzlich unvorbereitet in einen völlig anderen Song. Es war seltsam und lustig zugleich, wie Chuck sich an Johnnie wieder hochzog, und was die Band für eine Wirkung auf ihn hatte. Mit einem Schlagzeuger wie Steve Jordan hatte er seit 1958 nicht mehr gespielt. Ich stellte eine Band zusammen, die so gut war wie seine Originalband. Die es schaffte, dass Chuck Berry sich selbst wiederentdeckte - soweit das möglich war. Denn er ist ein unzuverlässiger Drecksack. Aber ich bin die Arbeit mit unzuverlässigen Drecksäcken gewohnt.
    Das schönste Ergebnis des Films war, dass ich Johnnie Johnson zu einem neuen Leben verhelfen konnte. Er bekam die Möglichkeit,
auf einem guten Klavier vor Publikum zu spielen. Und ab da bis zu seinem Lebensende spielte er rund um die Welt, und überall mochten ihn die Menschen. Er hatte Gigs, er war anerkannt. Und noch wichtiger als alles andere: Er hatte seine Selbstachtung zurückgewonnen und wurde als der wahrgenommen, der er war - ein brillanter Pianist. Er hatte es nicht für möglich gehalten, dass irgendwer wusste, wer da auf all diesen unglaublichen Platten gespielt hatte. Die Anerkennung und die Tantiemen für seine Leistungen als Komponist waren ihm versagt geblieben. Aber vielleicht war das gar nicht Chucks Schuld, sondern die von Chess Records. Wäre nicht das erste Mal gewesen. Johnnie fragte nie danach, also gab man ihm auch nichts. Johnnie Johnson blieben noch weitere fünfzehn Jahre, um sich Gehör zu verschaffen, um den Ruhm für das einzuheimsen, was er immer hätte tun sollen, anstatt am Lenkrad eines Busses zu versauern.
    Außer im engsten Kreis ziehe ich nur selten über andere her, aber ich muss sagen, dass Chuck Berry persönlich eine große Enttäuschung für mich war. Bis dahin war er mein unangefochtener Held gewesen. Scheiße, ich dachte, wer so

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