LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition)
Augenblick glaubte er, es wäre Ligeias Hand, die sich da ihren Weg aus den Wogen brach.
Jetzt ist nicht die Zeit für Tränen, entschied er und kämpfte sich über den schmalen Pfad auf den Felsen zum Strand durch. Er musste hier weg, bevor sie wirklich auftauchte, um ihn zu sich zu holen. Er musste nach Hause, selbst wenn es das letzte Mal sein mochte.
Minuten später fegte Evan den Strand entlang. Er betete, dass noch keiner seiner Nachbarn aufgestanden war und beim morgendlichen Kaffee aus dem Fenster in Richtung Meer schaute. Andererseits spielte das keine Rolle. Er brauchte Hilfe und hatte ein Hühnchen zu rupfen. Nein, korrigierte er sich. Einen Fisch zu fangen. Ein riesengroßes, ungemein tödliches Exemplar.
Eine Sirene.
35
11. Juni 1887, 0:23 Uhr
Wie ein ausgehöhltes Stück Treibholz trieb der Sturm die Lady Luck vor sich her. Sie schaukelte gefährlich nach Steuerbord und dann wieder nach Lee. Kapitän Buckley hielt das Steuer fest umklammert und bemühte sich, den Kahn in den Wellentälern zu halten, um im richtigen Moment jäh das Ruder herumzureißen und mit der Strömung auf der anderen Seite hochgespült zu werden. Dabei musste er höllisch aufpassen, dass der Kiel nicht das Wasser durchbrach und das Schiff kenterte. Er wechselte sich mit Jensen beim Navigieren ab. Wenn ein Mann eine halbe Stunde oder länger am Schiffsruder drehte und zerrte, brauchte er eine Pause. Weiß glänzend hoben ihre Knöchel sich von dem dunklen, feuchten Holz des Steuerrads ab, während sie dem Unwetter Paroli boten.
»Ich gehe für eine Weile nach unten, Käpt’n«, verkündete Jensen.
Mit einem Nicken signalisierte Buckley seine Zustimmung. Nicht einen Moment nahm er den Blick von den grauen, aufgewühlten Wogen und ihren weiß schimmernden Wellenkämmen. Mittlerweile war der Ozean für ihn nichts weiter als ein gigantischer Schlund, der das Schiff zu verschlingen drohte.
Kaum war Jensen die Leiter hinuntergerutscht, kehrten Buckleys Gedanken zu Ligeia zurück. Mit einem Mal wurde ihm klar, dass er sich die ganze Nacht über an Deck aufgehalten hatte, selbst als Jensen zwischenzeitlich das Steuer übernommen hatte. Es war die Aufgabe des Käpt’ns, das Schiff sicher durch den Sturm zu geleiten, und er hatte gezögert, seinen Posten zu verlassen. Doch nun fragte er sich, wie Ligeia wohl das Unwetter überstand. Er hatte sie an seine Koje gefesselt und alleine im Dunkeln zurückgelassen. Bereits vor Stunden. Wenn er daran dachte, wie sie voller Furcht dort im Dunkeln festsaß, quälten ihn mit einem Mal heftige Gewissensbisse. Womöglich weinte sie. Wenn Frauen Angst hatten, wurden sie schnell emotional. Nicht dass er sie je wirklich verängstigt erlebt hätte. Oder von Gefühlen überwältigt.
Vor ihm tauchte das Bild auf, wie sie ihr blutbespritztes Gesicht aus Rogers Halsbeuge hob, die scharfen Zähne vom Blut des Seemanns purpurrot verfärbt. Es war schwer vorstellbar, dass dieses Gesicht vor Angst heulen konnte. Buckley lächelte, doch dann entsann er sich eines anderen Augenblicks mit Ligeia. Damals, als er sie während ihres letzten Aufenthalts im Hafen von Delilah gekauft und unbemerkt von der Besatzung an Bord geschmuggelt hatte. Er hatte ihr die Kajüte gezeigt und ihr bedeutet, sich auf die Koje zu setzen, während er seine Kiste öffnete, um die Fesseln herauszuholen, die er von ihrem vorherigen Besitzer erstanden hatte.
Der Mann hatte darauf bestanden, dass Buckley die Fesseln niemals entfernte – und schon gar nicht den Knebel. »Sie braucht Ihnen nur ein einziges Liebeslied vorzusingen, und Sie sind erledigt«, hatte der nervöse kleine Grieche ihn wieder und wieder ermahnt. Der Mann hatte sich die Ohren mit Watte verstopft, weshalb Buckley, als sie um Ligeias hübschen Körper feilschten, die ganze Zeit über schreien musste. Er konnte bitten und betteln, wie er wollte, sein Gegenüber weigerte sich strikt, den Gehörschutz zu entfernen.
»Wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist, sehen Sie zu, dass ihr Mund fest verschlossen bleibt und Sie sich die Ohren zustopfen«, warnte der kleinwüchsige Südländer ihn.
Natürlich nahm Buckley dem hübschen Ding, kaum dass er sie ins Hotel gebracht hatte, als Erstes den Knebel aus dem Mund. Kaum hatte er es getan, begann sie auch schon zu singen, doch Buckley achtete nicht weiter darauf. Er war schon immer unmusikalisch gewesen und Musik bedeutete ihm nicht das Geringste. Also ließ er sie ihr Liedchen stöhnen, während er sich Hemd und Hose vom Leib riss.
Weitere Kostenlose Bücher