LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition)
betagten Computer hochfuhr. Eines Tages in nicht allzu ferner Zukunft würde die Werft ihre gesamten Aufzeichnungen verlieren – Darren hielt nichts von regelmäßigen Back-ups oder von Computern, die in diesem Jahrzehnt produziert worden waren. Windows 95 reiche für ihre Zwecke vollkommen aus, hatte der Boss schon bei zahllosen Gelegenheiten von sich gegeben.
»Er wird kein Auge mehr für dich zudrücken, das ist dir klar, oder?«, sagte sein Freund.
Evan nickte. »Dieses Wochenende kriege ich die Kurve. Ich werde Joshs Zimmer aufräumen und ein langes Gespräch mit Sarah führen … und nächste Woche sieht die Welt schon ganz anders aus.«
»Mhm. Das habe ich doch schon mal gehört.«
»Diesmal meine ich es ernst«, behauptete Evan. »Ich kann nicht mehr. Ich muss …«
Bill strich sich mit dem Finger über den Hals, und mit einem Mal wusste Evan, dass Darren direkt hinter ihm stand.
»Heute habe ich eine ganz besondere Aufgabe für Sie«, verkündete der Leiter des Seeamts feierlich und postierte sich mit einem ganzen Berg an Akten vor Evan. »Diese Formulare müssen mit den Unterlagen der letzten fünf Jahre, die wir von Trans-Global im Archiv haben, abgeglichen werden. Die wollen nächste Woche eine Rechnungsprüfung durchführen, deshalb eilt es. Bevor Sie heute Feierabend machen, muss der Kram fertig sein.« Klatschend ließ er den schweren Stapel in Evans Hände fallen und marschierte von dannen.
Bill zwinkerte Evan zu. »Sagte ich dir nicht, dass er die Nase voll hat? Treffen wir uns heute Abend im O’Flaherty’s auf ein Bier?«
Evan nickte. »Klar!«
»Sagen wir um acht? Mir scheint, bis dahin wirst du zu tun haben.«
Evan boxte ihm mit dem Ellenbogen gegen die Schulter. »Vielen Dank auch. Hast du Lust, mir zu helfen?«
Lachend schüttelte Bill den Kopf. »Ich muss nicht länger bleiben. Das hast du dir ganz allein eingebrockt.«
Als Evan das O’Flaherty’s betrat, schwebte bereits eine geisterhafte Dunstwolke unter der Decke. Zwar mochte in Kalifornien das Rauchen in Kneipen oder an sonstigen öffentlichen Orten gesetzlich verboten sein, doch Delilah betrachtete sich quasi als unabhängigen Staat. Niemand beschwerte sich darüber, dass im O’Flaherty’s geraucht wurde, und die Cops hatten kein Interesse daran, deshalb einen Aufstand zu veranstalten. Immerhin traf sich samstags die halbe Polizeitruppe im Hinterzimmer, um dort Zigarren zu qualmen.
Evan zwängte sich vorbei an ein paar kichernden College-Studentinnen, die den Durchgang verstopften, in die hintersten Winkel der aus zwei miteinander verbundenen Räumen bestehenden Bar. Überall standen Leute in den Nischen zusammen, quatschen miteinander, gestikulierten wild und verschütteten dabei achtlos Alkohol auf den langen, dunklen Bodenbrettern. Einige standen um Tische herum, andere einfach mitten im Durchgang. Der Lärm der Meute übertönte die Musik aus den Lautsprechern; Evan konnte gar nicht erkennen, was gerade lief. Er nahm lediglich das ferne Dröhnen eines Schlagzeugs und das dumpfe Wummern der Bassline wahr.
Eine Hand streckte sich nach ihm aus und packte ihn am Hemdkragen. Bill zerrte ihn in ein mit Buntglasfenstern vom Durchgang abgetrenntes Separee. Evan zog sich einen Barhocker heran und ließ ein vernehmliches Seufzen hören.
»War’s ein langer Tag im Archiv?«
Evan nickte. »Ich dachte schon, ich würde nie mit dem Stapel fertig.«
»Jetzt zeigt er dir, was es bedeutet, ständig zu spät zu kommen.«
Evan grinste. »Am Montag werde ich pünktlich um halb neun auf der Matte stehen, versprochen!«
»Na, darauf trinken wir einen. Bis dahin müssen wir nämlich noch zwei Tage totschlagen«, sagte Bill, als er die Bedienung heranwinkte. Nachdem Evan bestellt hatte, kam Bill zur Sache.
»Es ist schlimmer geworden, nicht wahr? Mit Sarah, meine ich.«
Evan nickte. »Ja. Fast jede Nacht muss ich sie nach Hause schleifen. Und danach kann ich nicht schlafen.«
»Du musst sie in Behandlung schicken, Mann!«
»Glaubst du, das hätte ich noch nicht versucht?«
Die Bedienung stellte ein schäumendes Glas Anchor Steam vor Evan ab. Ehe er weiterredete, nahm er einen tiefen Schluck von dem bernsteinfarbenen Gebräu. Anschließend setzte er das Glas ab und sah seinen Freund an. »Im Augenblick brauche ich selber jemanden, der mir zuhört.«
Bill wirkte überrascht, meinte jedoch sofort: »Ich bin ganz Ohr.«
»Da ist diese Frau, die ich gesehen habe, unten am Strand …«, begann Evan.
Bill hob eine Augenbraue und
Weitere Kostenlose Bücher