LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition)
neben der Frau unter die Bettdecke schlüpfte, die sein Leben lebenswert machte, solange er denken konnte. Im Augenblick begehrte er ihren Körper allerdings nicht. Er hasste sich für das, was er tief im Innern fühlte.
Was er empfand, war ein Verrat an allem, was er sich in den letzten Jahren mühsam aufgebaut hatte, und das Schlimmste daran war: Im Grunde machte es ihm nichts aus. Er musste sich wirklich zusammenreißen, um nicht aus dem Bett zu steigen und zurück zu der Felszunge zu gehen. Ihren Namen zu rufen. Ligeia!
Obwohl Evan Sarah liebte und ihm wirklich etwas an ihr lag, wollte er im Augenblick nur das eine, und er wusste, dass er sie morgen Nacht wieder aufsuchen würde – koste es, was es wolle. Während er in einen Traum hinüberglitt, in dem er bereits ihren Gesang vernahm, war ihm klar, dass er in diesem Augenblick alles für diese Frau aufgegeben hätte. Mit jeder Faser seines Körpers begehrte er die Schönheit aus dem Meer.
13
»Ich glaube, ich habe mich in sie verliebt«, gestand Evan.
Bill biss herzhaft in seinen Hamburger und hob dabei eine Augenbraue. Er kaute, um das Schweigen noch ein bisschen auszudehnen, ehe er antwortete.
»Geht es ihr genauso?«, fragte er schließlich.
»Keine Ahnung! Eigentlich haben wir noch gar nicht so viel geredet.«
»Okay! Das heißt also, sie lässt ihren Körper sprechen. Hat deine Mutter dir nicht eingebläut, dass du dich vor solchen Mädchen in Acht nehmen sollst?«
Evan grinste, allerdings musste er sich dazu zwingen. Er hatte Bill in der Mittagspause ins Cheeseburger Central eingeladen, weil er mit jemandem über letzte Nacht sprechen musste. Und sein nächster Termin bei Dr. Blanchard war erst am kommenden Montag. »So habe ich mich noch nie gefühlt«, erklärte er, bevor er in den Mexiko-Burger biss. Avocadosoße quoll aus dem Brötchen und tropfte aufs Handgelenk.
Bill starrte auf Evans Burger. »Das liegt bestimmt daran, dass du Avocadozeugs auf gegrilltem Fleisch isst. Was stimmt nicht mit dir, Mann? Auf einen Burger gehören Ketchup, Senf, Zwiebeln, ein Salatblatt und vielleicht noch ein bisschen Käse. Aber Jalapeños und dieser grüne Mist? Das sieht aus, als hätte dir eine Möwe aufs Fleisch geschissen.«
»Ich meine es ernst«, beteuerte Evan. »Sie geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Es war einfach toll letzte Nacht. Bei ihr fühlte ich mich …«
»Wie ein richtiger Mann, ich weiß. Das ist doch jedem schon mal passiert.«
»Nicht auf diese Art. Ich meine … wenn sie anfängt zu singen, vergisst man alles um sich herum. Ich kann es gar nicht richtig beschreiben. Sie hat die verführerischste Stimme, die ich jemals gehört habe. Verdammt, ich bin schon zweimal wie ein Schlafwandler ins Meer gerannt, um ihr nah zu sein. Und du weißt, wie verrückt das ausgerechnet bei mir ist.«
»Hat sie dich gestern Nacht etwa schon wieder flachgelegt?« Bill legte seinen Burger weg. »Sag bloß, du warst noch mal bei ihr im Wasser?«
Evan lachte. »In voller Montur. Im Moment liegen die Klamotten in meinem Auto auf dem Rücksitz. Ich möchte nicht, dass Sarah sie findet.«
»Das ist nicht gut, Evan.«
»Wem sagst du das! Ich will Sarah nicht verletzen, aber ich muss diese Frau wiedersehen …«
»Das ist das Schlimmste, was du tun könntest.« Mit einer schweren, braunen Papierserviette tupfte Bill sich das Fett von den Fingern, anschließend packte er Evan am Arm. »Hör zu! Ich weiß, dass du mir diesen Mist nicht abnimmst, aber denk wenigstens mal darüber nach, hm? Du hast eine Heidenangst vor dem Wasser, und dann singt diese Frau und du wirst völlig kirre und watest einfach so rein. Meinst du nicht, dass das zu diesem Sirenen-Mythos passt? Sie hat dich in ihren Fängen und beim nächsten Mal wirst du vielleicht nicht mehr lebendig aus dem Meer herauskommen. Die Sirene paart sich nicht nur mit Männern, Evan, sie frisst sie auf, und zwar mit Haut und Haar.«
»Was zum Teufel redest du da?«
»Weshalb glaubst du, locken Meerjungfrauen Seeleute an? Damit ihre Schiffe an den Felsen zerschellen? Das passiert nicht aus Versehen, Evan. Lies in den Geschichtsbüchern nach. Oder von mir aus in den zahllosen Romanen, die es zu dem Thema gibt. Die Sirene braucht Männer. Aber sie will keinen Ehemann. Sie braucht uns, um sich fortzupflanzen. Und als Nahrung!« Bill unterstrich seine Behauptung, indem er den fettigen Burger hochhob und einen großen Fleischbrocken abbiss. Während er kaute, drängte er: »Erzähl mir mehr! Was hat sie gestern
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