LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition)
war als alles, was er jemals gehört hatte. Dennoch erschienen ihm die fremden Laute bedeutsam. Als entführten sie ihn in eine mitreißende Geschichte – während sie sang, wurde ihm angst und bange, dann wieder empfand er eine ans Schmerzhafte grenzende Verzückung, als habe er etwas längst verloren Geglaubtes wiedergefunden. Evan ging weiter auf den Ursprung des magischen Konzerts zu. Er lächelte, als er die tiefe Wahrheit erkannte, die in ihrer Stimme mitschwang, die grundlegende Wahrheit ihres Liedes – mit Musik konnte man sich intensiver als durch Worte verständigen. Was immer sie ihm da kommunizierte, er verstand zwar nicht die Worte, dafür jedoch die übermittelten Gefühle.
Und dann verstummte die Musik. Evan spürte Hände, die seine Schultern umfingen, und keuchte auf, weil es mit einem Mal so kühl war. Er öffnete die Augen …
… und sah ringsum nichts als Wasser!
Jäh erwachte er aus seiner Traumwelt und stellte fest, dass er bis zum Hals im Meer stand. Die Wellen schwappten ihm wie tödliche Säure ins Gesicht. Direkt vor ihm schwamm, die Finger ausgestreckt, um ihm über die Schultern und durchs Haar zu streichen, Ligeia. Innerhalb von Sekunden wurde Evan aus dem siebten Himmel gerissen und fand sich in den tiefsten Abgründen der Hölle wieder. Ihm war speiübel, sein Herz raste und seine Pupillen weiteten sich. Er hatte keine Augen mehr für Ligeia, die auf dem Wasser auf und ab schaukelte, sondern nur noch für die dunklen Wellen hinter ihr. Panik übermannte ihn so vollkommen wie zuvor ihre Musik.
Evan öffnete den Mund und schrie.
In diesem Augenblick rollte eine Welle vorbei und eine Gischtkrone peitschte ihm ins Gesicht. Den Mund voller Salzwasser stand er da. Sein Schrei wich einem erstickten Husten. Wild mit den Armen rudernd verlor er das Gleichgewicht. Evans Kopf tauchte unter, die Augen traten ihm fast aus den Höhlen. Alles war dunkel, kaltes Meerwasser drang in Mund und Nase. Er rang um Atem, nur um noch mehr Wasser zu verschlucken und unter den nächtlichen Wellen lautlos zu würgen.
Dies war Evans schlimmster Albtraum. Seit frühester Kindheit schreckte er ab und zu mitten in der Nacht hoch – schweißgebadet und gelähmt vor Angst, weil ihm immer noch deutlich vor Augen stand, dass er unter Wasser gefangen war. Und nun geschah es nach all dieser Zeit tatsächlich. Er versuchte, sich zurück an die Oberfläche zu kämpfen, doch seine Füße hatten den Kontakt zum Grund verloren. Sein Kopf ragte für ein paar Sekunden hilflos aus dem Wasser, ehe die Strömung ihn wieder nach unten zog.
Eine Hand schloss sich um seinen Arm, eine andere legte sich um seine Hüfte. Ligeia. Sie lächelte ihn unter Wasser an und beugte sich herüber, um ihn zu küssen. Evan schüttelte den Kopf. Nein, nein, nein – er stand kurz davor, zu ertrinken!
Dann landeten ihre Lippen auf seinen und Evan empfand … Erleichterung. Das Meerwasser brannte ihm nicht länger in den Lungen, das Salz kratzte nicht mehr im Hals. Ligeia starrte ihn an, ihre braunen Augen zwei unergründliche Teiche. Sie presste ihn eng an sich und schwamm mit ihm an die Oberfläche zurück.
»Oh mein Gott«, keuchte Evan, als ihre Köpfe das Wasser durchstießen. Er klammerte sich an sie wie ein Baby, und sie trug ihn, bis er wieder festen Boden unter den Füßen spürte und das Wasser ihm nur noch bis zur Brust reichte. Sie sah ihn an, während eine Welle zwischen ihre Brüste wogte und sie verdeckte, um sie kurz darauf in spielerischem Rhythmus wieder zu enthüllen. »Danke«, sagte er. »Ich dachte schon, ich müsste sterben. Ich habe furchtbare Angst vor dem Wasser und fürchte mich seit jeher vor dem Ertrinken. Es ist mir ein Rätsel, was überhaupt passiert ist. Ich hörte dich singen und muss wohl wie ein Schlafwandler ins Wasser gestiegen sein. Dabei kann ich gar nicht schwimmen und …«
»Schhhhhhhh«, machte sie und legte Evan einen Finger auf die Lippen. Ihre andere Hand bewegte sich unter dem Wasserspiegel und strich an seinem rechtem Schenkel entlang. Erneut küsste sie ihn, und Evan wurde ganz heiß, als ihre Zungen gegeneinanderstießen. Mit einem Mal wurde ihm klar, dass ihre Hände sich am Gürtel seiner Jeans zu schaffen machten, und er schüttelte den Kopf, während er sich aus der Umarmung löste.
»Nein«, sagte er. »Ich bin auch hergekommen, um dir etwas zu sagen … was gestern Nacht passiert ist, war falsch, und es tut mir leid. Ich bin verheiratet. Sie ist eine wunderbare Frau. Ich liebe sie
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