Light & Darkness
einzufinden.« Demonstrativ nahm er das Buch in die Hand, in dem er zuvor Stellen markiert hatte. »Hausaufgaben. Es gibt nichts Besseres als Hausaufgaben, um sich der Normalität seines Lebens bewusst zu werden.« Ein künstliches Lachen entwand sich seinen Lippen.
»Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst, oder?« Sie sah tief in seine ausdruckslosen Augen. »Nach dem Überfall der Impia musste ich auch einen Therapeuten treffen, aber ich konnte mich dieser fremden Person nie wirklich öffnen. Aber mit Dante war das etwas anderes, ich wusste, er würde mich verstehen und ich vertraute ihm. Danach ging es mir viel besser. Wenn du also reden möchtest, komm zu mir, ich bin immer für dich da.«
»Du magst ihn inzwischen wirklich, oder?«, fragte Jude. Neugierde oder doch etwas anderes?
»Er ist in Ordnung.« Light hoffte, ihr Tonfall verriet ihre wahren Gefühle für Dante nicht. »Aber darum geht es jetzt nicht. Bitte sag mir, dass du zu mir kommen wirst, um darüber zu reden.«
Jude krümmte sich unter ihren Worten. »Ich kann nicht darüber reden.«
Light bemühte sich, ihre Stimme ruhig klingen zu lassen. »Es ist schwer, aber danach würde es dir besser gehen. Wir alle machen uns Sorgen um dich. Kane hat das Gefühl, du würdest ihm aus dem Weg gehen. Er braucht dich jetzt, nachdem … hat er dir erzählt, was zwischen uns passiert ist?« Diese Worte kosteten Light mehr Überwindung, als sie es je für möglich gehalten hatte. Jude nickte – fast etwas verlegen. »Er fühlt sich einsam und braucht dich«, wiederholte sie. »Jetzt mehr denn je und du brauchst Kane, das hast du schon immer. Wenn du nicht mit mir reden kannst, dann rede mit ihm. Wir haben alle Angst um dich.« Sie griff nach seiner Hand und drückte sie fest.
Sanft erwiderte Jude den Druck. »Ich brauche noch etwas Zeit für mich.« Er blinzelte und als er sie wieder ansah, sah sie den glasigen Glanz, der sich über seinen Blick gelegt hatte. »Bitte drängt mich zu nichts. Ich bin einfach noch nicht bereit.«
Light seufzte. »In Ordnung, aber versprich mir, mit jemandem darüber zu reden, sobald es dir möglich ist. Ich möchte nicht –« Sie schüttelte den Kopf. »Bitte pass auf dich auf.« Sie drückte ein letztes Mal seine Hand und kämpfte um ein müdes Lächeln, das Jude nicht erwiderte.
24. K apitel
»Eine Revision darf nur unter Zustimmung des Delegierten erfolgen.«
(Buch der Delegation, Artikel 10)
In den nächsten Tagen sprach Light wenig mit Dante. Es war der Nachmittag des 24. Dezembers und sie stand gemeinsam mit ihrer Mum in der Küche, um das Abendessen vorzubereiten.
Sie war müde und ihre Glieder schmerzten. Sie konnte kaum die Arme heben, ohne das Zerren in ihren angespannten Muskeln zu fühlen. Seit sie die Einladung zur Revision erhalten hatte, schlief sie alleine in ihrem Bett, um Abstand von Dante zu gewinnen. Sie dachte, sich langsam von ihm zu lösen wäre einfacher, doch das war es nicht. Ständig in seiner Nähe zu sein und ihm doch nicht nahe zu sein, schmerzte.
Es war nicht dieser reine, definierte Schmerz, den man bei einer Schürfwunde verspürte. Es war dieser brennende Schmerz, als hätte man sich versehentlich an einem Stück Papier geschnitten. Es war eine solche unsichtbare, nicht blutende Wunde, die in Lights Innerem brannte. Als hätte sich ihr Herz an Papier geschnitten.
»Nimmst du bitte die Schokolade vom Herd?« Lights Mum kippte eine Handvoll gehackter Nüsse in eine Schüssel. Mit routinierten Fingern mischte sie alle Zutaten zusammen, koordinierte den Herd und hielt ihre Männer davon ab, zu viel zu naschen.
Light musste daran denken, wie es sein würde, mit Dante an einem Tisch zu sitzen. Seine Wärme würde ihre Haut streicheln, auch wenn er sie nicht berührte. Ihr Herz würde sich zusammenziehen und ihr Magen würde sich verkrampfen. Wäre es ein gewöhnliches Abendessen, würde sie sich noch vor der Nachspeise verabschieden. Doch es war Weihnachten, also musste sie den ganzen Abend mit ihrer Familie und Dante verbringen. Schon jetzt hatte sie das Gefühl zu ersticken. Nach diesem Abend würde sie kraftlos in ihr Bett fallen, in ihr Kissen schluchzen und sich wünschen, Dante wäre bei ihr. Doch er würde in seinem Bett liegen und schlafen, ohne einen Gedanken an sie zu verschwenden.
Und das war noch nicht einmal das Schlimmste. Das Schlimmste war es, den Schein zu wahren und so zu tun, als wäre alles in Ordnung. »Soll ich die Schokolade in den Topf kippen?«, fragte
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