Light & Darkness
es aus ihr heraus.
Verwirrt blinzelte Kane. »Was meinst du?«
»Ich erinnere mich.« Light ließ sich neben ihn auf das Bett fallen. »Ich erinnere mich an den Moment, als ich im Sterben lag.« Es war das einzige noch fehlende Puzzleteil. »Und ich habe nicht an dich gedacht oder an Jude oder an meine Eltern.« Sie wurde blass im Gesicht. »Wieso habe ich euch nicht gesehen?«
Kane hob die Achseln. »Als ich gestorben bin, habe ich überhaupt nichts gesehen.«
»Bei dir ist das etwas anderes, du wusstest vom ersten Augenblick an, dass du wieder auferstehst.«
»Was hat du gesehen?«, seufzte Kane, als kenne er die Antwort schon.
Verlegen biss Light sich auf die Lippen. »Weißt du was, du hast Recht. Ich konnte nichts sehen, weil ich tief in meinen Inneren wusste, dass es nicht enden würde.« Light setzte ein schiefes Lächeln auf und starb innerlich einen weiteren Tod für diese Lüge. Aber was sollte sie ihm erzählen? Die Wahrheit würde ihm nur ein weites Mal das Herz brechen.
Kane legte einen Arm um ihre Schulter. »Du machst dir zu viele Gedanken. Das, was mit dir passiert ist, war ein Unfall. Ein schrecklicher Unfall, der sich nicht noch einmal wiederholen wird. Was du jetzt brauchst ist ein wenig Spaß, um dich abzulenken.« Schüchtern sah er sie an. »Ich weiß, es ist kurzfristig und du wolltest eigentlich nicht gehen«, fuhr er fort. »Aber ich fände es wirklich schön, wenn du mit mir zum Schulball gehen würdest.«
Unsicher wandte Light ihren Blick in die Ferne, doch prallte er an der weißen Zimmerwand ab. Sie nahm einen tiefen Atemzug. »Ich glaube, du hast Recht. Etwas Ablenkung würde mir sicherlich nicht schaden. Aber wir gehen nur als Freunde, verstanden?«
»Nur du, ich und Jude, als Freunde. Ein freundschaftlicher Dreier, wenn du so willst.«
»Kommt Dante nicht mit?« Light versuchte die Enttäuschung in ihrer Stimme zu verbergen.
Kane nahm die Hand von ihrer Schulter. »Nein, er meinte Schulbälle wären nicht sein Ding.«
»Außer Sport ist wohl nichts sein Ding«, sagte Light neckisch und machte sich wieder über ihren Koffer her. Ein letzter Blick durch das Zimmer verriet ihr, dass sie nichts hatte liegenlassen. Mit Gewalt zog sie den Reißverschluss zu. »Ich bin fertig«, sagte sie kurze Zeit später voller Stolz und Eifer. Sie konnte es kaum mehr erwarten, diese farblose Einöde zu verlassen. Die letzten Tage hatte sie sich gefühlt wie eine Aussätzige, als hätte sie die Pest oder eine ähnlich ansteckende Krankheit. Sie hatte keinen Fernseher in ihrem Zimmer und Zeitschriften gab es nicht. Wenn sie jetzt daran zurückdachte, konnte sie nicht glauben, dass sie die letzten Tage mit Schlafen, Brettspielen und Sudoku verbracht hatte. Was geschah in der Welt außerhalb des Krankenhauses? Berichteten die Medien über sie? Wurde sie als Heldin gefeiert oder war sie das naive Mädchen, das ihr Leben für einen Dämon riskiert hatte?
Den Koffer auf das eigene Bett zu legen, den Reißverschluss zu öffnen und die nach Desinfektionsmittel riechende Wäsche in die Waschmaschine zu geben war ein großartiges Gefühl. Es war ein behagliches Kribbeln im Nacken, das sich bis in die Fußspitzen ausbreitete. Nach Hause zu kommen hatte sich noch nie besser angefühlt. Jude und Dante waren mit Kane in der Küche, der gerade versuchte, ein Mittagessen aus den Resten der letzten Tage zu kochen. »Light! Willst du auch etwas zu essen?«, grölte Kane durch das Haus.
»Nein, danke«, rief sie zurück. Ihr Schrei klang im Vergleich zu seinem wie ein Flüstern. Erschöpft ließ sie sich auf ihr Bett fallen und genoss die weiche Federung. Sie streckte ihre Glieder von sich und räkelte sich genüsslich auf den Laken. Blind tastete sie nach ihrem Radio, um es einzuschalten. Sie war neugierig, ob man über sie und Dante berichtete. Ein Song, den sie nicht kannte, schallte ihr entgegen und wurde erst Minuten später vor der Stimme des Moderators unterbrochen. Es waren keine Nachrichten und niemand verlor auch nur ein Wort über irgendwelche aktuellen Ereignisse. Enttäuscht, aber auch erleichtert nichts über sich zu hören, schaltete Light das Radio wieder aus und vergrub den Kopf tief in ihrem Kissen. Sie sog den süßen Duft nach Lavendel, Holz … und Wald ein. Light runzelte die Stirn und inhaliert den Duft ihres Kissens. Dante hatte in ihrem Bett geschlafen. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Vielleicht war es gar kein Fehler im System, der sie und Dante zusammen geführt hatte.
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