Lila Black 01 - Willkommen in Otopia
beschreiben. Ihr Haar war auf der einen Hälfte ihres Kopfs kastanienbraun nachgewachsen und auf der anderen scharlachrot – nach dem Zauber, der ihr bis ins Mark gedrungen war. Sie hatten ihn schließlich herausgewaschen, aber Teile von ihr waren für immer verschwunden, und an ihrer Stelle war da jetzt diese Maschine, stark und rastlos und ganz und gar auf Kriegsfuß mit dem Fleisch, das noch übrig war. Sie würden miteinander verwachsen, ihre KI und ihr eigener Körper. Es würde Jahre dauern, hatten sie ihr gesagt, aber eines Tages würden die Nahtstellen unsichtbar sein.
»Ach, ich weiß, ich sollte das nicht sagen«, plapperte Poppy und begann, ihre blassgrünen Zähne mit Zahnseide zu reinigen, »aber Zal mag dich echt.«
»Wie kommst du darauf?«, fragte Lila.
»Er schaut dich die ganze Zeit an. Hast du das noch nicht gemerkt?«
»Nein«, sagte Lila aufrichtig. Tat er das?
»Klar, dass du’s nicht merkst«, sagte Poppy und riss ein neues Stück Zahnseide ab. »Macht nichts. Ist was Magisches. Aber ich kriege es mit.«
»Ach?« Lila tat interessiert, obwohl sie nicht wusste, was sie davon halten sollte. Sie hatte das Gefühl, dass Poppy zu den Mädels gehörte, die sehr schnell Freundschaft mit anderen Mädels schlossen, ihre Freundinnen am liebsten mit ihren Freunden verkuppeln wollten und dazu die tollsten Fantasien entwickelten.
»Zal mag eigentlich niemanden auf diese Art«, fuhr Poppy fort. »Nicht so, verstehst du? Schon gar nicht …« Sie hielt inne. »Na ja, eben gar nicht.«
»Nein, sag’s nur«, sagte Lila und lehnte sich ans Waschbecken, als ob sie den ganzen Tag Zeit hätte und Poppy und sie bereits beste Freundinnen wären.
»Leute nicht-magischer Herkunft«, sagte Poppy, so schnell sie konnte. »Sorry, ich weiß, so was sagt man nicht.« Sie schlug sich die Hand vor den Mund.
»Nein, nein«, beruhigte sie Lila. »Ist schon gut. Wer mag schon jeden? Außerdem bin ich eine Angestellte.« Also war er wie alle Elfen, die sie je getroffen hatte, rassistisch. Das passte.
»Schon, aber wenn du die ganze Zeit bei uns bist, bist du doch eine von uns, oder?«
Weibliche Feen waren harmoniesüchtig.
»Klar«, sagte Lila lächelnd. »Da hast du recht.«
»Oh, gut. Bin froh, dass wir das geklärt haben.« Poppy lächelte ebenfalls. Sie war wirklich wunderhübsch, dachte Lila und spürte einen Stich von Neid, was ganz atypisch für sie war und ihr gar nicht passte. Sie rief sich streng in Erinnerung, dass sie froh sein konnte, überhaupt noch am Leben zu sein.
»Ist Jolene in Zal verknallt?«, fragte sie, während sie Poppy die Tür aufhielt.
»Oh, und wie!«, sagte Poppy. »Wer ist das nicht?«
Lila folgte ihr wieder an den Tisch. Mehr Bier war gekommen, weitere merkwürdige Zigaretten machten die Runde. Es sah ganz nach einer langen Nacht aus.
4
Um drei Uhr früh war Lila endlich allein in ihrem Zimmer in dem riesigen, fast leeren Haus auf dem Hügel. Sie saß auf ihrem Bett und betrachtete den verblüffenden Luxus um sich herum, während sie Zal im Nachbarzimmer umhergehen hörte und die Hörfilter tief in ihren KI-Systemen jede noch so kleine Vibration darauf prüften, ob sie irgendetwas enthielt, das da nicht hätte sein sollen. Ihr Apartment und das von Zal gingen von dem Raum mit dem Meerblick ab, in dem sie ihn zum ersten Mal getroffen hatte. Wenn sie sich anstrengte, konnte sie das Meer hören. Sein sanfter Rhythmus war wohltuend nach der Hektik der Nacht.
Nach dem Restaurant waren sie in mehreren Bars gewesen. Und danach noch in zwei Clubs. In der Ebony Bar hatte Luke sie anzumachen versucht.
Im Lazy Daisy hatte eine Horde Fans die Band bestürmt.
Im Voudou Zulu hatte es eine Mordsschlägerei zwischen No-Shows-Fans und Fans einer anderen Band gegeben, und Lila hatte Zal schließlich durch den Keller und über den Hinterhof hinausbringen müssen, nachdem sie den betrunkenen Gorilla eines prominenten Filmstars niedergeschlagen hatte, der darauf beharrte, dass sie das Ganze angezettelt hatte.
Zal hatte sich vor Lachen kaum auf den Beinen halten können. Er hatte sie gefragt, ob er auf dem Rückweg fahren dürfe. Sie hatte Nein gesagt. Er hatte nicht weiter nachgehakt, sondern nur verdrossen geschwiegen. Das wiederum hatte sie enttäuscht und geärgert, und ihr Ärger hatte sie noch mehr geärgert, weil ihr seine Gleichgültigkeit nichts hätte ausmachen sollen. Sie war zu schnell gefahren und fast im Graben gelandet. Als sie sich endlich wieder gefasst hatte, waren
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