Lila Black 01 - Willkommen in Otopia
Unterstützungsteam melden: den Medizinern und Technikern, die sie als ihren ersten Cyborg-Agenten – den Prototyp – konstruiert hatten. In den Labors im untersten Stock des Hauptquartiers wurden Reports von ihrem System herunter- und neue Programme daraufgeladen. Spezialisten für alles Mögliche, von Informatik bis Zahnmedizin, überprüften, wie sie und die Maschine sich gegenseitig assimilierten.
»Da muss noch was passieren. Wir sollten Muffen am Skelett fixieren, die solche Lasten direkt übernehmen«, sagte einer der Kybernetiker, als sie die Druckstellen auf ihren Schultern inspizierten. »Können Sie mal das Handschuhsystem aktivieren, Lila? Gut. Noch mal.«
Lila streckte beide Arme aus und sah zu, wie ihre Finger, Daumen, Handteller, Handgelenke und Unterarme hundert verschiedene Funktionsteile ausfuhren – eine lautlose, silberne Explosion von Bewegung, die selbst ihr technisch verstärkter Gesichtssinn nur verschwommen wahrnahm. Mit den ausgefächerten Gerätschaften sahen ihre Hände komisch aus, wie perfektionierte Schweizer Armeemesser. So schienen sie gar nicht zu ihr zu gehören, und sie konnte sie emotionslos betrachten.
Sie machten das Gleiche mit ihren Beinen, prüften die Panzerung und die Düsenpropulsionssysteme in ihren Unterschenkeln und Füßen. Murmelnd arbeiteten sie jeweils an ihrem speziellen Teilsystem. Das war Lila immer noch lieber als die intensive Zuwendung und die mitfühlende Konversation der Physiotherapeutin.
»Sie übertreiben es mit dem Geländelauf«, sagte der Arzt, der an den Stellen, wo Lilas Muskeln und Haut mit den biosynthetischen Materialien und Metallen der Prothesen verwuchsen, behutsam den Zustand des roten Gewebes taxierte. »Sie beschleunigen den Kohlenstoffeinbau in ihre Knochenmasse. Es besteht die Gefahr, dass sie zu spröde wird, wenn wir die Kristallisation nicht verlangsamen. Und den Muskeln und Sehnen bleibt auch nicht genug Zeit zum Heilen. Sie riskieren, dass sie immer wieder reißen, weil sie diese Belastung noch nicht verkraften. Es sieht im Grund nicht schlecht aus, aber durch die Panzerung werden Sie sich immer stärker fühlen, als Sie sind. Sie machen sich kaputt, wenn Sie nicht aufpassen.«
»Ja«, sagte Lila, die das alles nicht zum ersten Mal hörte. Sie drehte sich um und sah auf die Uhr. »Können wir’s beschleunigen? Ich muss gehen.«
»Sobald Dr. Williams sagt, dass Sie gehen können«, sagte Dr. Williams, Lilas Psychiaterin, die die Untersuchung von weitem verfolgt hatte, jetzt aber näher gekommen war. Sie machte noch ein paar letzte Notizen mit einem Füller auf einem altmodischen Klemmbrett, ehe sie dieses weglegte. Dr. Williams sah sich fast schon gelangweilt im Raum um, bis die anderen gegangen und sie beide allein waren. Lila lächelte die weißhaarige alte Frau an und begann sich wieder anzuziehen.
»Mir geht’s gut«, sagte Lila.
»Da habe ich anderes gehört«, sagte Dr. Williams und setzte sich neben ihr auf die Tischkante, die Hände in den Kitteltaschen.
»Von jemandem mit spitzen Ohren?« Diese Worte aus ihrem Mund kommen zu hören, verstärkte Lilas schlechtes Gewissen noch. Sie zog Luft durch die Zähne. »Ich meine Special Agent Sarasilien.«
»Er hat seiner Besorgnis Ausdruck verliehen.«
Die Art, wie Dr. Williams mit ihr redete, während sie noch in Unterwäsche dastand, machte Lila befangen. Sie wollte sich möglichst schnell verstecken, weil sie das Gefühl hatte, dass ihr Körper sie verriet, und weil alle hier der Meinung schienen, sie hätten das Recht, sie von oben bis unten zu inspizieren.
»Immer noch alles im Plan? Routinekontrollen?«, fragte Dr. Williams wie eine Großmutter, die wissen wollte, ob sie sich auch brav jeden Abend die Zähne putzte.
»Ich mache meine Routinekontrollen gern. Sie sorgen dafür, dass alles funktioniert«, sagte Lila und wollte wieder in ihre Hosen steigen, aber dann fiel ihr ein, dass es wohl besser war, die dicken Beinschienen und Fußpanzer ihrer Kampfausrüstung anzulegen, statt alles zu schleppen. Sofort merkte sie, wie sich die unteren Partien ihrer Beine durch die zusätzliche Stabilität und Kraft unverwundbar anfühlten – und so als trüge sie Siebenmeilenstiefel.
»Na, dann ist ja alles bestens.« Die Stimme der alten Ärztin triefte von Ironie. »Haben Sie sich an unsere Abmachung gehalten und sich auch mal Zeit für sich selbst gegönnt? Haben Sie sich Kleider gekauft, die nichts mit …«
»Ich habe Hosenanzüge. Designer-Mode.«
»Zweifellos für
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