Lila Black 01 - Willkommen in Otopia
einem bockenden Pferd. Mit Mühe schaffte sie es, auf den Beinen zu bleiben und sich so schnell zwischen den Bäumen hindurchzuschlängeln, dass die Elementargeister nicht dazu kamen, sich wieder zu vereinen. Aber sie plagten sie nach Kräften. Sie rissen sie an den Haaren, bewarfen sie mit Blättern, Stöckchen und kleinen Zweigen und versuchten, ihr die Steine unter den Füßen wegzuziehen.
Zal musste ermattet sein, denn sie fand jetzt deutliche Spuren: einen gebrochenen Zweig, einen Fußabdruck im flach getretenen Gras. Dann kam sie völlig unerwartet auf eine kleine Lichtung. Sie rutschte eine Böschung hinunter, in eine Mulde, und landete genau vor Zal. Er saß mit zurückgelegtem Kopf da und rang nach Luft, schweißüberströmt. Plötzlich war da eine seltsame Stille – Lila begriff, dass die Elementargeister ihr lästiges Treiben eingestellt hatten.
»Was soll das, verdammt?« Ihre Geduld war jetzt endgültig erschöpft. In ihrem Blickfeld drängten sich rote Warnanzeigen, die völlig überflüssig waren, weil sie selbst spürte, was ihr die Rennerei zugefügt hatte.
Zal sah sie an, ein wenig fahl unter der Röte der Anstrengung. Zum ersten Mal sah sie seine Coolness bröckeln. »Ich muss hier sein«, sagte er knapp. »Ich gehe nirgends anders hin. Meinetwegen können Sie hierbleiben und zuschauen, wenn es sein muss, aber mir wäre es lieber, Sie würden außerhalb des Kreises bleiben. Und Sie würden es garantiert auch vorziehen.« Er stand auf und klopfte sich mit einer gewissen elfischen Verlegenheit den Dreck ab. Dann begann er, ohne sie noch einmal zum Zurücktreten aufzufordern, Elfisch zu sprechen. Oder vielmehr zu singen, als ob es Dämonisch wäre, und es war ein so seltsames Gemisch von Lauten beider Sprachen, dass sich Lila die Haare sträubten. Plötzlich hatte sie nichts mehr dagegen, sich zurückzuziehen – kein Stück Fleisch oder Knochen an ihr wollte in dem Bannkreis bleiben, den er mit seinem Zaubergesang schuf.
Außerhalb seines Einflussbereichs waren die Elementargeister wieder da. Doch obwohl sie mit halbmateriellen Fingern an ihr herumgrapschten und -krallten, galt ihr eigentliches Interesse dem Rund jenseits der flimmernden magischen Barriere, die Zal um sich errichtet hatte. Auch sie beobachteten gespannt, was geschah.
Lila wusste nicht viel von magischen Praktiken, deshalb fiel ihr zuerst nichts auf, aber dann dämmerte ihr langsam, dass sie, wenn er da etwas Wichtiges vorhatte, doch wohl innerhalb des Kreises sein sollte und nicht außerhalb, wo sie ungeschützt war. Doch kaum dass sie das gedacht hatte, merkte sie, dass sie sehr wohl geschützt war, weil er die normale Ordnung der Dinge verkehrt hatte. Der Zirkel, den Zal gezogen hatte, grenzte die Welt ein. Er war außerhalb.
»Hey!«, sagte sie und versetzte sich automatisch in einen Modus, in dem ihre sämtlichen Waffen aktiviert waren. »Ich sag’s noch mal – was soll das?«
Aber Zal konnte sie nicht hören oder, was wahrscheinlicher war, wollte es nicht. Dann schlüpften die Elementargeister einer nach dem anderen an Lila vorbei und in den Kreis. An ihren Berührungen spürte sie, wie begierig sie dem Ruf seines Gesangs folgten. Sobald sie die Barriere passiert hatten, veränderten sie ihre Gestalt. Auf Lilas von Menschen bewohnter Erde waren Elementargeister flüchtige, ätherische Präsenzen. Aber Zal hatte seinen Zirkel aus dem Gebiet der Erde herausgelöst. Er war jetzt Teil der Heimatwelt der Elementargeister – Teil der Ersten Sphäre: Zoomenon.
Hier zeigten die Elementargeister ihre wahre Form und Macht. Holz, Metall, Erde, Wasser, Luft, Feuer. Von ihren Studien her wusste Lila, dass diese Wesen in Zoomenon nicht als getrennte Einheiten existierten, und jetzt sah sie, dass das tatsächlich stimmte. Sie vereinigten sich augenblicklich zu einem regenbogenbunten Dunst aus Energie, der pulsierte und tanzte wie das Nordlicht in einer kalten Winternacht. Durch das schillernde Licht sah sie Zal förmlich darin baden, hingegeben, den Kopf zurückgelegt, und erst mit Verspätung erkannte sie, dass das, was sie hier sah, ein Junkie bei einem Fix war.
Die Elementarkräfte umwallten ihn eifrig, strömten durch seine Nasenlöcher, den Mund, die Augen und Ohren in ihn hinein und durch seine Handflächen und Fußsohlen wieder heraus, um sofort wieder kehrtzumachen und auf ihn zuzufließen. Zal zitterte, sank auf die Knie, fiel dann vornüber.
Lila war wie betäubt vor Schock, als sie den Pfeil an ihrem Ohr
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