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Lila Black 02 - Unter Strom

Lila Black 02 - Unter Strom

Titel: Lila Black 02 - Unter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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Otopia.
    Der Drachling war schon lange fort, und der Nachmittag war heiß und feucht. Als er hinüberwechselte, war er müde und verschwitzt.

 
23
     
     
    Es gab ein Zittern, als hätte die Welt ein Schauder durchfahren, dann saß Lila wieder im Wohnzimmer, genau wie zuvor. Aber so hatte sie es noch nie wahrgenommen. Der Raum bewegte sich wie ein Ozean. Alles, was fest und stofflich gewesen war – die Möbel, die Wände –, hatte jetzt eine Eigenschaft, die sie nur als subtil bezeichnen konnte; ihre stoffliche Eindeutigkeit war verschwunden, und ihre wahre Natur als Dinge, die vergänglich waren und aus Energie in harmonischen Schwingungen bestanden, trat deutlich zutage. Und sie selbst war genauso, ebenso wie Tath. Es existierte nichts, was nicht diesen flüchtigen Zauber trug.
    Mit einem Mal sah sie, wie zerbrechlich alles in Wirklichkeit war, wie wundersam, wie seltsam. Und durch alles, was war, drangen höhere Wellen und Strömungen, so langsam und majestätisch, dass sie sich in einem Menschenleben kaum bewegen würden, und doch konnte sie ihre lebendige Kraft erkennen, ihre unaufhaltsame Kraft.
    Vor diesem Hintergrund verteilte sich etwas, löste sich in der subtilen See auf, das so zart wie ein Mückenflügel und so stabil wie Stein war. Sie erkannte, dass dies die Rückstände des Dämons waren, der hierhergekommen war: die Spuren seiner Seele, die sich im ätherischen Wind auflösten, davongetragen wurden, für immer verloren.
    »Heilige Scheiße«, sagte sie.
    Tath stimmte ihr grimmig zu. Sein Körper in unterschiedlichen Grüntönen umschlang sie. Er war angespannt und aufmerksam, als wären sie in Gefahr. Das erschien ihr seltsam. Hier konnte nichts gefährlich sein, da alles als Teil und Stück einer grundlegenden Bewegung, eines Raums, einer Zeit und eines Wunders offenbart wurde.
    »Deine Eltern sind nicht hier. Natürlich, wir hätten es ja beide bemerkt, wenn sie noch geblieben wären. Um sie zu finden, müssen wir zu dem Zeitpunkt zurückkehren, zu dem sie das letzte Mal hier waren, und dann mit ihnen in ihre Zeit nach dem Tod eintreten. Wir müssen das Zimmer dazu benutzen, um in der Zeit zurückzureisen«, sagte der Elf ruhig, seine Stimme federleicht in ihrem Geist. »Aber das kann ich nicht allein tun. Ich muss einen der Untoten rufen.« Er zögerte.
    »Was ist los?«
    Er wartete einen weiteren Moment, und sie bemerkte, dass seine Anspannung wuchs. »Ich spüre, wie mein Tod nach mir ruft.« Seine Stimme war wehmütig. Müde, voller Schuld, wollte er antworten. Aber er gab sich nur eine Sekunde diesen Gefühlen hin und wandte sich dann mit Anstrengung ab, zwang sich, Widerstand zu leisten.
    Sie wollte gerade etwas sagen, aber er unterbrach sie, indem er den Mund öffnete und den seltsamsten Ruf ausstieß, den sie je gehört hatte; für ihre Ohren unhörbar, aber laut in ihrem Herzen.
    »Du musst nicht …«, setzte sie an, entschlossen, etwas dazu zu sagen.
    »Ich muss«, sagte er. »Jetzt schweige.«
    Sie lauschten, konnten immer noch die leisen Geräusche im Haus vernehmen, das Scharren der Pfannen in der Küche, Malachis und Max’ Stimmen in leisem Gespräch, das Kratzen einer Hundepfote auf den Holzbohlen der Veranda, den Motor eines vorbeifahrenden Autos. Dann erklangen unter diesen leisen Geräuschen noch leisere Schritte. Sie vibrierten mit einer Frequenz, die die stoffliche Welt der Lebenden nicht erreichte, sondern nur in den zarten Tiefen dieser einzigartigen Existenz erklang. Fest und regelmäßig kamen sie näher, und Lila wäre erschaudert, wenn ihr Körper immer noch auf ihre Gefühle reagiert hätte, was er zu ihrer Überraschung nicht tat. Tatsächlich spürte sie ihn überhaupt nicht mehr.
    Panik stieg in ihr auf, als sie bemerkte, dass sie keine Verbindung mehr zu ihrer KI besaß, auch wenn sie diese nicht nutzen wollte, und es auch keinen Kontakt mehr zu irgendetwas gab … gar nichts … Sie war sich nicht sicher, was sie fühlte, weil sie nicht mehr fühlen konnte …
    Hör auf,  blaffte Tath harsch. Es ist alles in Ordnung. Du bist nur nicht mehr in deinem Körper.  Und um es ihr zu beweisen, stand er auf, und sie stand mit ihm auf, als wäre sie seine Puppe. Hinter ihr blieb ihr Körper auf der Couch sitzen, die Augen geschlossen, bleich und offensichtlich bewegungslos. Tath bewegte sich mit schwereloser Leichtigkeit, wie im All, und sie blieb zurück, eine Punk-Marionette mit durchtrennten Schnüren, den Rock über ihren Beinen, die so menschlich wirkten, bis auf

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