Lila Black 02 - Unter Strom

verwandelte, die sie besser ergreifen und mit sich in die I-Region ziehen konnte.
    Gemeinsamer Vorsatz band sie aneinander – zum Glück, sonst könnte er nicht lange standhalten. Er erlaubte, dass sie ihn hinter sich herzog, verlor seine Körperlichkeit, und seine Flügel wurden einmal mehr stärker. In der I-Region war Jones nur ein Lichtstreifen, von der farblosen Gestalt des riesigen Sturmgeistes umgeben, mit dem sie sich verbunden hatte; ein lebender Blitz.
    Das Schiff war weitergesegelt, aber das Fahrwasser war deutlich zu sehen, eine Schneise im seltsamen Grau der I-Region. Jones folgte der Spur, ohne zu zögern. Sie zog Malachi hinter sich her, und er war froh, dass sie voranging.
    Er hörte sie nach anderen in verschiedenen Regionen rufen und deren Antworten; ein wundersameres Stimmengewirr hatte er noch nie gehört. Aus allen Richtungen und Regionen kamen sie wie Pfeile, wie Träume, wie Regen.

 
9
     
     
    Lila ließ die Elfe in ihrem Zimmer zurück, an das Bett gebunden und mit dem Befehl, sich nicht zu rühren, wenn ihr das Leben lieb war. Beim momentanen Stand der Dinge war sie sich nicht sicher, ob die Elfe sich an den Befehl halten würde, aber Lila dachte, dass es nicht ihr Problem war, wenn die Frau sich entschloss, ihr Leben von Dämonen beenden zu lassen. Sie verließ das Haus durch das Fenster, um den anderen Hausbewohnern zu entgehen, und kletterte an der wundervoll verzierten und hervorragend zum Klettern geeigneten Außenseite hinunter. Ein Kobold, der auf einer mit Vogeldung bedeckten Büste von Xenaxas, der Unhöflichen (einer Ahriman-Ahnin), gedöst hatte, murmelte und wachte auf, als sie an ihm vorbeikam. Dann hüpfte er hinter ihr her.
    »Wo gehste hin?«, fragte er neugierig mit hoher Stimme und sprang mit spatzenhafter Leichtigkeit von einer Steinstatue zur nächsten, wobei er mit seinen mickrigen Flügeln flatterte, um die Balance zu halten. Er war kaum größer als ein Kätzchen, sah aus wie ein schuppenbedeckter Affe, und eine kleine Aura aus orangerotem Feuer umzüngelte ihn.
    »Nirgendwohin«, sagte Lila mürrisch und hoffte, er würde verschwinden.
    »Kann ich mitkomm’?«
    »Nein.« Sie bewegte sich schneller, zog sich nach oben. Ihre Füße konnten sich dank der Sensoren in den Sohlen der Stiefel den Weg selbst suchen.
    »Du siehst aus wie eine Frau, die einen Vertrauten braucht.« Er tanzte hinter ihr her. »Ein Mädchen wie du, allein in der Stadt. Da liegt kein Segen drin. Ich mache dir einen guten Preis. Schlag was vor.«
    »Verschwinde, bevor ich dir die Rübe wegblase«, sagte Lila.
    »Okay. Du hast mich in der Gewalt. Ich mach’s umsonst«, sagte das kleine Ding mit einem fröhlichen Lächeln. »Wir sagen uns unsere Namen, und die Sache ist geritzt.« Er rieb sich die Hände voller Vorfreude.
    »Ich bin die Königin von Saba.«
    »Nein, bist du nicht. Ich kenne sie, und sie ist viel hübscher als du. Komm schon. Du willst mich.«
    »Das will ich wirklich nicht.«
    »Doch. Wennste mich nicht bräuchtest, warum würdste dann genau in dem Moment aus dem Fenster steigen, wo ich aus einem wunderschönen Traum erwache, in dem ich Schafsaugen zerquetsche und mit den Fingern durch das Haar von Wechselbälgern streiche? So ein Traum hat eine Bedeutung, weißte? Er weist auf einen wichtigen Moment im Leben eines Dämons hin. Ich mach die Augen auf, und da bist du. Ich weiß, dass du einen Vertrauten brauchst, denn du hast keinen und gehst allein nach Bathshebat, der Großmutter der Ungläubigen und Brutmutter von Extremen ohne Maß. Und dabei bist du nur einen Hauch davon entfernt, völlig unätherisch zu sein.«
    Lila war jetzt am Boden angekommen. Sie nickte ruhig und aktivierte das Kampfsystem in ihrer rechten Hand. Zwei Pistolen und eine Reihe von Messern machten sich bereit, wodurch ihre menschliche Gliedmaße zu einem Wald aus tödlichen Versprechungen wurde. Sie richtete sie auf den Kobold, auf Augenhöhe, denn er saß auf den Knien eines Steinsatyrn. »Heute nicht, danke.«
    Der Kobold klatschte in die Hände und hüpfte vor Begeisterung von einem Fuß auf den anderen. »Na, das nenne ich doch mal ein Taschenmesser! Wusste ich doch, dass du mir von der Hölle geschickt wurdest. Ein Beweis dafür, wie weit einen der Glaube bringt.«
    Zu Lilas Überraschung sprang er mühelos über ihre Hand auf ihre Schulter und hielt sich mit seinem krallenbewehrten Finger an ihrem Ohr fest. Sie hörte das Knistern von Feuer, spürte aber nichts.
    »Geh langsam, ich werde schnell