Lila Black 02 - Unter Strom
abgeflammt, und obwohl er keinerlei Gesichtszüge besaß, konnte sie unter den acht Augen an seinem Körper ein seltsam makelloses weißes Band erkennen, das für eine Art hygienischen Stolz stand. Sie nahm die Speisekarte und löste sie von dem Faden, der riss und sich um ihren Finger legte. Sie versuchte ihn am Tisch abzustreifen, aber er klebte nur noch stärker.
»Er ist verzaubert. Wird sich in einer Minute auflösen«, sagte der Kobold zuversichtlich. »Minztee. Und ich nehme einen Doppelten mit einem Schuss Stutenmilch.«
Aber Lila war damit beschäftigt, sich vor der Speisekarte zu ekeln, und das nicht, weil sie an ihrer Hand klebte. »Was ist ›Essenz der Menschlichkeit‹?«
»Das wird gemacht, indem man Grabeserde magisch mit frischem Quellwasser vermischt, also keine Angst.« Der Kobold rief dem Ober zu: »Sie nimmt einen Minztee. Ich nehme den doppelten Arabischen, und wenn du keine Stutenmilch hast, geht auch Yak oder Fledermaus.«
»Milch aus aller Welt«, las Lila vor. »Lesen Sie auf unserer Angebotstafel nach.« Sie schaute zur Tafel auf. »Sattelrobbenmilch?«
»Zu fett. Schmeckt außerdem nach Fisch, das passt nicht zum Kaffee.«
»Muttertränenmilch?«
»Pass auf, achte gar nicht auf diese Dinge. Es geht darum, dass du in den Suk willst und ich beweisen will, dass ich wirklich der bin, der zu sein ich behaupte …«
»Du hast nicht gesagt, wer du bist.«
»Wenn ich meinen Namen sagen könnte, wäre ich kein verdammter Kobold, oder?«, blaffte der Kobold. »Ich muss meinen Namen wiederbekommen. Und du musst … irgendwas erledigen, das vermutlich für irgendjemanden irgendwo wichtig ist, also dachte ich mir, ich helfe dir, du hilfst mir, und wir sind quitt. Du brauchst jemanden, der sich mit den Dämonen auskennt, und den hast du nicht. Ich brauche jemanden … Ich brauche jemanden … also, da sind wir nun. Passt perfekt.«
Lila seufzte und schüttelte den Kopf. »Ich werde dir ganz sicher nicht verraten, was ich vorhabe, damit du es dann in der ganzen Stadt herumposaunen kannst. Sehe ich aus, als wäre ich verrückt?«
»Offen gesagt, ja. Du hast immerhin einen Kobold auf der Schulter, und jeder weiß, dass deren einziger Lebenssinn ist, andere Leute verrückt zu machen.«
»Mit einer Menge Lügen. Die übrigens wirklich armselig sind.«
»Gib mir eine Chance. Eine. Ich werde dir etwas holen; etwas tun; etwas sagen, um dir zu zeigen, dass ich die Wahrheit sage.«
»Nö, du wirst mir nur in den Rücken fallen. Ich kenne Leute wie dich«, sagte Lila mit Überzeugung, als der Ober gerade zurückkam, diesmal durch die Tür, und ein Tablett von seinem makellosen Rücken auf den Tisch schob. Darauf standen ein dampfendes Glas Minztee und eine Kanne Kaffee mit einer kleinen Tasse und einer kleinen Milchkanne.
»Siehst du. Ich wette, du bist normalerweise nicht so misstrauisch, wenn man dir nicht magisch zusätzlich auf die Nerven fällt. Aber du wirst mir natürlich nicht glauben, dass dies Teil des Fluchs ist.«
»Du bist ein Kobold, deswegen glaube ich dir nicht.«
»Sicher, sicher. Probier den Tee, er ist sehr gut.«
Der Kobold wartete, und da Lila seit Stunden nichts mehr getrunken hatte, entschloss sie sich zu probieren. Aber zuerst steckte sie für eine schnelle Analyse ihren Finger hinein, trotz der Hitze. Es war Tee. Also hob sie das Glas an die Lippen.
»Wie dem auch sei, wenn ich ein wirklicher Kobold wäre, hätte ich einen heißen Draht zu deinen schlimmsten Neurosen und würde dir erzählen, dass dein Freund zu gut für dich ist, dass du nicht mal die Hälfte von dem mitbekommst, was hinter deinem Rücken vor sich geht, weil es im Interesse aller anderen liegt, dich unwissend zu halten, und dass Tartarus von einer Eisschicht bedeckt ist, bis du gelernt hast, deine Angst vor dem Leben zu meistern.
In der Zwischenzeit wirst du eine Menge Energie darauf verschwenden, dich wegen deines verlorenen alten Lebens zu quälen und deine Verdrängungsmechanismen mit ziellosem Aktionismus zu unterstützen, die sich auf die Arbeit zu beziehen scheinen, aber in Wirklichkeit nur Ablenkungstaktiken sind, die mit mehr oder weniger arbeitsrelevanten Erfolgen funktionieren.
Dein Herz verbirgt etwas, dem du dich lieber nicht stellen willst, aus Gründen, die du nicht sehen willst, also wirst du die dir verbleibende Zeit damit verbringen, diese Dinge verschlossen zu halten, während du dich rational davon zu überzeugen versuchst, dass es für alle anderen das Beste ist, wenn du tust, was
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