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Lila Black 02 - Unter Strom

Lila Black 02 - Unter Strom

Titel: Lila Black 02 - Unter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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und sein Berry herausholte. Er öffnete es und aktivierte den Bildschirm, hielt es ihr dann hin.
    All ihre Entschlossenheit verschwand. Sie wollte es nicht nehmen, denn sie wusste, dass es wehtun würde, nur nicht, wie sehr. Alles war noch ungewiss, bis zu dem Moment, in dem sie es sah und es wahr war. Es ging ihr gut, bis sie es sah. Sie bemerkte, dass Sorcha sie anstarrte, dass die Welt stillstand und schwieg, dass Malachi wartete. Sie wollte für immer in diesem Augenblick leben.
    Sie nahm das Berry und drehte es herum. Die KI in ihrem Schädel bot an, alles bis auf die Fakten herauszufiltern; sie konnte Lila von ihren Gefühlen fernhalten und alle Schlüsse für sie ziehen. Sie musste unter allen Umständen eine funktionierende, fähige Agentin bleiben, verantwortlich für ihre gewaltige Macht, nur die Pflicht im Kopf. Die KI war da, um Lila zu helfen, wenn es für eine normale Person zu schwer wurde. Sie würde sich nicht drücken, denn es war notwendig. Sie hatte Lila schon vor so vielen Schlägen bewahrt, seit sie gefertigt worden war. Lila hatte die KI bisher nur ein einziges Mal vollständig abgeschaltet, in der Nacht und an dem Tag, die sie in Zals Hotelzimmer verbracht hatte.
    Beim Gedanken daran, sie erneut abzuschalten, fühlte sie sich schwach, grau und flach. Leer; sie war ein Robotermädchen, das seine Gefühle herunterlud, das seinen Schmerz umging, das unendliche Energie und die Stärke von tausend Mann und das Herz eines Zombies besaß. Es gab keine Veränderung, niemals, immer das Lächeln eines von Medikamenten betäubten Geistes und den Trost der heißen Waffen. Und niemand fragte sie. Sie retteten sie. Oh …
    Sie schaltete die KI aus.
    Lila … Tath hatte Angst um sie. Sie wusste, dass es echte Sorge war, und darüber war sie glücklich, egal, was für eine kranke Scheiße er sich für den kommenden Tag aufsparte.
    Nein. Du hast recht. Als du vom Lügen sprachst, dachte ich, du meinst, dir und anderen gegenüber lügen. Ich habe nicht an mich selbst gedacht. Ich habe mich selbst belogen, seit … seit Vincent starb, vielleicht sogar davor schon. Ja, vielleicht schon davor, noch bevor die Bombe kam. Sie dachte an Hochzeiten und an die Schule und ein Gefühl, für das sie keinen Namen hatte, eine tiefe Unzufriedenheit mit der Aussicht auf ein normales Erwachsenenleben und der Vision ihrer Eltern, wie es sein sollte. War da in all dem Schrecken nicht auch ein Hauch von … Erleichterung? Ja. Sie fühlte, wie sie zerbrach, beinahe dankbar dafür, dass ihre fehlenden Glieder und Stücke nicht hier waren, um mit anzusehen, was aus ihr geworden war, denn sie fühlte sich nicht mehr wie ein erschrecktes, aufgeregtes, pflichtbewusstes Kind. Endlich, sagte eine sehr alte Stimme in ihrem Kopf, jetzt können wir aufhören. Eine so umfassende Erschöpfung überfiel sie, dass sie die mechanischen Gelenke ihrer Glieder blockieren musste, um stehen bleiben zu können. Sie könnte sich jetzt gleich hier hinlegen und für tausend Jahre schlafen. Ich bin so müde, sagte sie und schaute auf das Bild in ihrer Hand.
    »Oh«, sagte sie.
    Ihre Mutter saß auf dem Sofa – einem neuen Sofa aus handverarbeitetem Leder im italienischen Design, wie sie es sich schon so lange Jahre gewünscht hatte. Als Lila noch zu Hause gewesen war, hatte an dieser Stelle ein alter Diwan gestanden. Ihre Mutter war entspannt und in sich zusammengesunken. Ihr Mund stand offen. Ihre Augen waren aufgerissen und nach oben gerichtet, sodass nur noch der untere Teil der Iris zu sehen war. Ihr Dad sah genauso aus, aber er lag halb auf dem Sofa, als habe man ihn dort zurechtgelegt. Ein Speichelfaden hing aus seinem Mundwinkel.
    Sie sahen nicht tot aus, eher ohnmächtig. Auf dem Tisch vor ihnen befanden sich eine Kiste und eine Menge silbernes und weißes Packpapier, eine Schleife und Paketband, eine Schere und eine Karte, die halb in den Umschlag zurückgesteckt worden war. Darauf war das Bild von zwei Händchen haltenden Bären zu sehen, der eine im Smoking, der andere mit einem Schleier: »Herzlichen Glückwunsch!«
    Daneben standen eine halbleere Flasche Wodka und die klobigen Gläser ihrer Mutter aus Bleikristall. Darin waren Eiswürfel fast vollständig geschmolzen, und Wasser lief an der Außenseite herab. Ein Kartenspiel aus dem Lucifera Casino, das ihre Mutter bevorzugte, war vom Tisch gefallen und hatte sich auf dem Teppich neben zwei ungeöffneten Paketen verteilt, das zerknitterte Zellophanpapier lag daneben. In der Ecke des Bildes

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