Lila Black 03 - Elfentod
Zal finden würde, auch wenn Teazle nicht unbedingt in der Stimmung gewesen sein musste, ihn zu begleiten.
Sie sprang vom Dach, nicht weil das den Düsen die Arbeit erleichterte, sondern weil es sich einfach gut anfühlte. Sie legte die Arme an den Körper und überließ der KI und dem Schub die Wahl der Flugroute. Die warme Brise wurde eisig, als sie ihr ins Gesicht peitschte und ihre Haare zerzauste. Sie stieg hoch, drehte sich um die eigene Achse und zog große, langsame Kreise, probierte aus, was geschah, wenn sie die Haltung der Arme veränderte. Dabei kam sie ihrem Ziel im Viertel der Musen langsam näher und behielt das Radar immer mit einem Auge im Blick, um auf drohende Angriffe reagieren zu können. Durch ihre Hochzeit hatte sich eine Menge neuer Leute in die Schar ihrer Duellanten eingereiht, nach letzter Zählung ganze dreihundertsiebenundvierzig, und im Schnitt hatte sie vier davon pro Tag abgearbeitet – abgesehen von den Tagen, die sie zu Hause verbracht hatte. Sie flog eine Kurve in Rückenlage, die Arme wie ein Taucher ausgestreckt, und lächelte in den Himmel hinauf. Sie wollte nicht wahrhaben, dass sie Zeit verplemperte, und spürte, wie ihr Blut bei dem Gedanken an einen nahenden Kampf in Wallung geriet.
Und tatsächlich flog sie erst knapp eine Minute, als sie auch schon Anzeichen für eine Verfolgung bemerkte. Ohne nachzudenken änderte sie ihren Kurs, schwenkte von ihrem eigentlichen Ziel ab und flog über die Lagune. Der Verfolger blieb an ihr dran und hielt sich über der Küste, wo die Lagerhäuser des Hafenviertels dicht an dicht die Wasserkante säumten. Er flog, hielt sich aber tief, und sie verlor ihn beinahe aus den Augen zwischen den vielen Booten, die sich um die Anlegeplätze stritten und dabei wirkten wie eine dichte Blätterdecke auf einem Waldbach im Herbst. Aber ihre Ortung war so präzise, wie es nur Maschinen fertigbrachten. Sie fühlte sich sehr wohl in der Rolle von Jägerin und Gejagter zugleich, und das ließ sie kurz grimmig lächeln. Wenn man etwas gut konnte, egal was es war, dann machte es einem auch Spaß. Sie bevorzugte Luftkämpfe. Fliegende Dämonen hatten Flügel, und Flügel stellten eine deutliche Schwachstelle dar.
Sie wurde immer langsamer, bis sie fast in der Luft stand, wartete ungeduldig auf den Angriff und fragte sich, ob sie einen Präventivschlag rechtfertigen konnte, noch bevor sie den Dämon tatsächlich als Duellanten identifiziert hatte. Mittlerweile hatte sie alle größeren Händler-Flugschneisen hinter sich gelassen, von der kreisförmigen Hauptroute der Luftbusse mit den riesigen, protzigen Ballons abgesehen. Sie waren so majestätisch langsam, dass sie sich von ihrer Warte aus praktisch gar nicht bewegten, und taugten darum höchstens als kurzzeitige Deckung. Dafür eigneten sie sich jedoch hervorragend, denn es war ein Kapitalverbrechen, bei einem Duell ein öffentliches Verkehrsmittel zu beschädigen oder die Passagiere zu verletzen.
Thingamajig streckte den Kopf aus ihrem Haar hervor und sagte: »Schon wieder ein Kampf? Ich will dir eins sagen, Fräulein: Wenn du nicht aufpasst, wirst du dafür mit einem weiteren Teufel bezahlen, über den ich reden muss – so einer, der bis tief in die Nacht wach ist, wenn du alt bist, und der dafür sorgt, dass du dich für die Dummheiten in deiner Jugend verfluchst und für die Freude, mit der du anderen den Tod brachtest.«
»Ach, Blödsinn«, sagte Lila. »Von euch leidet auch keiner unter einem schlechten Gewissen.«
»Ja, aber wir wurden so geboren, du nicht. Du trägst es nicht im Blut. So ein meh-nschliches …« Er sprach es aus, als redete er über etwas Unappetitliches. »Ein meh-nschliches Gewissen ist etwas Schreckliches.«
Genau wie ein dämonisches, wenn es so etwas tatsächlich gibt, sagte Tath kühl.
Davon wurde Lila kurz aus dem Tritt gebracht. Sie hatte nie vermutet, dass Thingamajigs Gefühlsausbrüche etwas mit ihm selbst zu tun haben könnten. Ihr Gewissen regte sich wirklich manchmal, wenn sie über die Konsequenzen ihres dämonischen Lebensstils nachdachte, vor allem über ihre Mordrate. Aber sie hatte keinen von ihren Gegnern zum Kampf herausgefordert, und wenn es hieß, deren Leben oder ihres, dann tat sie, was sie tun musste, und hatte auch keine Schuldgefühle deswegen. Zumindest sollte sie keine haben … aber sie regten sich trotzdem, wenn ihre innere Stimme sie daran erinnerte, dass sie freiwillig in Dämonia war und nicht hierbleiben musste. Du hast gewählt,
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