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Lilien im Sommerwind

Lilien im Sommerwind

Titel: Lilien im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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meiner Töchter eine solche Maus von einer Frau werden konnte, begreife ich bis heute nicht.«
    »Reine Überlebenstaktik«, murmelte Tory, aber Iris schnaubte nur.
    »Sie hätte wunderbar überlebt, wenn sie diesen Hurensohn, den sie vor fünfundzwanzig Jahren geheiratet hat, einfach verlassen hätte. Sie hat es nicht anders gewollt, Tory. Wenn sie auch nur ein bisschen Mumm hätte, dann hätte sie sich anders entschieden. So wie du.«
    »Wirklich? Ich weiß nicht, welche Entscheidungen ich getroffen habe oder welche für mich getroffen worden sind. Ich weiß nicht, was falsch oder richtig war. Und jetzt sitze ich hier, Gran, und kehre genau dorthin wieder zurück, wo ich angefangen habe. Ich sage mir, dass ich dafür selbst die Verantwortung übernehme. Dass es meine Entscheidung ist. Aber eigentlich weiß ich, dass ich es gar nicht ändern kann.«
    »Möchtest du das denn?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Dann musst du so lange weitermachen, bis du es weißt. Du hast solch ein starkes Licht in dir, Tory! Du findest sicher deinen Weg.«
    »Das hast du immer schon gesagt. Aber ich hatte immer nur schreckliche Angst davor, mich zu verirren.«
    »Ich hätte dir mehr helfen sollen. Ich hätte mehr für dich da sein müssen.«
    »Gran!« Tory stand auf, trat zu Iris und umarmte sie. »Du warst immer für mich da. Ohne dich wäre ich jetzt nicht hier.«
    »Doch, das wärst du.« Iris tätschelte Tory die Hand und wendete dann rasch den Speck, der in der Pfanne brutzelte. »Du bist stärker als wir alle zusammen. Und wenn du mich fragst, hatte Hannibal Bodeen genau davor Angst. Er wollte dich brechen, um seine eigene Angst zu überwinden. Und am Ende hat er dich ja auch geprägt, oder? Dieser Idiot!« Iris schlug ein Ei am Pfannenrand auf und ließ es in die brutzelnde Masse gleiten. »Mach uns ein wenig Toast, Schätzchen.«
    »Mama ist überhaupt nicht wie du«, sagte Tory, während sie das Brot in den Toaster steckte. »Kein bisschen.«
    »Ich weiß nicht, wie Sarabeth ist. Ich habe sie vor Jahren schon verloren. Vermutlich schon damals, als dein Opa gestorben ist. Sie war erst zwölf. Ich selbst war ja gerade erst dreißig und stand mit zwei Kindern da, die ich allein großziehen musste. Das war das schlimmste Jahr meines Lebens. So schlimm ist es nie wieder gewesen. Du meine Güte, wie ich diesen Mann geliebt habe!«
    Seufzend ließ Iris die Eier auf die Teller gleiten. »Er war meine Welt, mein Jimmy. In der einen Minute war diese Welt noch beständig, und in der nächsten war sie auf einmal weg. Und Sarabeth war zwölf und J.R. gerade sechzehn. Sie ist so aufsässig geworden! Vielleicht hätte ich mich mehr um sie kümmern müssen. Weiß Gott, das hätte ich wirklich tun sollen.«
    »Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen.«
    »Das tue ich auch nicht. Aber man kann gewisse Dinge erst im Nachhinein besser verstehen. Man sieht einfach, dass alles anders verlaufen wäre, wenn man nur eine einzige Sache anders gemacht hätte. Wenn ich damals aus Progress weggezogen wäre, wenn ich auf Jimmys Versicherung zurückgegriffen hätte, statt mir einen Job bei der Bank zu suchen, wenn ich nicht so erpicht darauf gewesen wäre, den Kindern das College zu ermöglichen.«
    »Du wolltest nur das Beste für sie.«
    »Ja.« Iris stellte die Teller auf den Tisch und holte Butter und Marmelade aus dem Kühlschrank. »J. R. hat seine College-Ausbildung gehabt und etwas daraus gemacht. Sarabeth hat Hannibal Bodeen bekommen. So sollte es eben sein. Und deshalb sitzen meine Enkelin und ich heute hier und haben ein üppiges Frühstück vor sich. Ich würde wahrscheinlich doch nichts anders machen, wenn ich jetzt noch einmal von vorn anfangen könnte. Weil ich nämlich dich dann nicht hätte.«
    »Ich fange noch einmal von vorn an, Gran, und ich weiß genau, dass ich nichts anders machen kann.« Tory legte den Toast auf einen kleinen Teller und trug ihn zum Tisch. »Es macht mir Angst, dass ich so weit zurückgehen muss. Ich kenne diese Leute gar nicht mehr. Und ich habe Angst, mich selbst nicht mehr zu kennen, wenn ich erst einmal da bin.«
    »Du kommst nicht zur Ruhe, bevor du das nicht in Ordnung gebracht hast, Tory. Seit du weggegangen bist, hast du eigentlich immer wieder nach Progress zurückgewollt.«
    »Ich weiß.« Es half, dass jemand sie verstand. Lächelnd spießte Tory ein Stück Schinken auf. »So, und jetzt erzähl mir von deinem Klempner.«
    »Oh, er ist ein solches Goldstück!« Mit Appetit machte sich Iris über ihr

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