Lilien im Sommerwind
Auge behielten.
Iris Mooneys Haus lag inmitten der anderen Häuser. Es war äußerst gepflegt und von alten, riesigen Azaleenbüschen umgeben. Die Blütezeit neigte sich dem Ende zu, aber die blassen Rosa- und Rottöne schufen einen weichen Übergang zu dem kräftigen blauen Anstrich, den ihre Großmutter für das Haus gewählt hatte. Wie erwartet, war der Vorgarten üppig und gepflegt, der Rasen gemäht und die Treppe sauber.
Ein Lieferwagen mit der Aufschrift >Installationsarbeiten aller Art< stand in der Auffahrt hinter dem alten Kleinwagen ihrer Großmutter. Tory hielt am Straßenrand. Die Spannung, die sie während der Fahrt zu ignorieren versucht hatte, löste sich, als sie auf das Haus zuging.
Sie klopfte nicht an. An dieser Tür brauchte sie nie anzuklopfen, Tory hatte immer gewusst, dass sie jederzeit für sie offen stand. Es hatte Zeiten gegeben, in denen das allein sie vor dem Zusammenbrechen bewahrt hatte.
Überraschenderweise war es im Haus vollkommen ruhig. Es war fast schon zehn Uhr, als sie eintrat. Tory hatte eigentlich erwartet, ihre Großmutter im Garten oder bei der Hausarbeit anzutreffen.
Das Wohnzimmer war wie immer etwas chaotisch, voller Möbel, Kleinkram und Bücher. Und in einer Vase stand ein Dutzend roter Rosen, gegen die sich Torys Tulpen wie arme Verwandte ausmachten. Sie stellte ihren Koffer und die Tasche ab und trat in den Flur.
»Gran? Bist du zu Hause?« Mit den Blumen in der Hand ging Tory auf das Schlafzimmer zu, blieb aber stehen und zog die Augenbrauen hoch, als sie hinter der verschlossenen Tür zum Schlafzimmer ihrer Großmutter Geräusche hörte.
»Tory? Liebes, ich komme sofort! Geh und ... nimm dir etwas Eistee.«
Achselzuckend ging Tory in die Küche. Sie warf jedoch einen Blick zurück, weil sie etwas hörte, das wie ein ersticktes Kichern klang.
Sie legte die Blumen auf die Arbeitsplatte, dann öffnete sie den Kühlschrank. Der Krug mit Tee stand bereit, und zwar so zubereitet, wie sie es am liebsten hatte, mit Zitronenscheiben und Minzeblättchen. Granny vergisst nie etwas, dachte Tory, und Tränen der Rührung und der Erschöpfung traten ihr in die Augen.
Sie drängte sie zurück, als sie die raschen Schritte ihrer Großmutter hörte. »Liebe Güte, du bist aber früh! Ich habe dich erst nach Mittag erwartet!« Klein, zierlich und behände kam Iris Mooney ins Zimmer geeilt und nahm Tory in die Arme.
»Ich bin früh losgefahren und habe kaum eine Pause gemacht. Habe ich dich aufgeweckt? Geht es dir nicht gut?«
»Wieso?«
»Du bist noch im Morgenmantel.«
»Oh. Ha!« Iris drückte Tory noch einmal fest an sich und trat dann einen Schritt zurück. »Mir geht es blendend. Sieh mich doch an. Aber du, Schätzchen, du siehst erschöpft aus.«
»Ich bin nur ein bisschen müde. Du siehst toll aus!«
Das war die reine Wahrheit. Siebenundsechzig Jahre hatten das Gesicht der Großmutter geprägt, aber sie hatten weder die magnolienfarbene Haut noch die tiefgrauen Augen beeinträchtigen können. In ihrer Jugend hatte sie rote Haare gehabt, und sie achtete darauf, dass es auch so blieb. Wenn Gott gewollt hätte, dass Frauen graue Haare bekamen, pflegte Iris zu sagen, dann hätte er die Haartönung nicht erfunden.
»Setz dich hierher. Ich mache dir Frühstück.«
»Mach dir keine Umstände, Gran.«
»Du weißt sehr wohl, dass du mir nicht widersprechen sollst, oder? Setz dich jetzt hin.« Iris wies auf einen Stuhl an dem kleinen Cafehaustisch. »Oh, die Blumen! Die sind wirklich schön!« Sie ergriff den Tulpenstrauß, und ihre Augen funkelten vor Entzücken. »Du bist richtig süß, Tory.«
»Du hast mir gefehlt, Gran. Es tut mir Leid, dass ich dich so lange nicht besucht habe.«
»Du führst eben dein eigenes Leben, und das habe ich auch immer für dich gewollt. Jetzt entspann dich einfach, und wenn du wieder ein bisschen zu dir gekommen bist, kannst du mir alles über deine Reise erzählen.«
»Sie war jede Meile wert. Ich habe ein paar wunderschöne Stücke gefunden.«
»Du hast mein Auge für hübsche Dinge geerbt.« Iris zwinkerte ihr zu, während ihre Enkelin mit offenem Mund den Mann anstarrte, der in der Küchentür aufgetaucht war.
Er war groß wie eine Eiche und hatte einen Brustkorb wie ein Buick. Seine krausen, grauen Haare sahen aus wie Stahlwolle. Seine Augen waren braun, und er hatte einen Blick wie ein Basset. Sein Gesicht war gebräunt. Er räusperte sich verlegen und nickte Tory zu.
»Guten Morgen«, sagte er. »Äh ... Mrs. Mooney, ich
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