Lilien im Sommerwind
will etwas Nutzloses haben.«
»Mir fällt ums Verrecken nicht ein, was so nutzlos sein könnte, dass es ihr gefällt. Ich habe schon mal gedacht, ich gehe einfach bei deiner Nichte vorbei und lasse sie etwas aussuchen.«
»Das ist eine gute Idee. Tory hat einen guten Geschmack in solchen Dingen.«
»Ihr Laden ist schön geworden. Sie hat viel zu tun.«
»Sie war schon immer sehr fleißig. Sie ist ein ernsthaftes Mädchen mit viel Verstand. Kaum zu glauben, dass sie so geworden ist - nach allem, was sie erlebt hat.«
Genau diese Einleitung hatte Carl D. angestrebt, aber er blieb trotzdem vorsichtig. Er holte einen neuen Kaugummi aus der Tasche und wickelte ihn umständlich aus. »Sie hatte es wirklich schwer in ihrer Jugend. Ich kann mich noch gut erinnern, wie sie kaum den Mund aufbekam. Sie hat einen immer nur mit ihren großen Augen angesehen. Dein Schwager hatte eine harte Hand.«
»Ich weiß.« J.R. presste die Lippen zusammen. »Ich wünschte, ich hätte damals mehr gewusst. Ich weiß nicht, ob es so einen großen Unterschied gemacht hätte, aber ich wünschte, ich hätte es gewusst.«
»Du weißt es jetzt. J. R., wir suchen nach ihm wegen dieser Geschichte in Hartsville.«
»Hoffentlich fasst ihr ihn, damit er bekommt, was er verdient. Meine Schwester - na ja, ihr Leben ist sowieso beim Teufel. Aber wenn er hinter Gittern wäre, könnte Tory endlich wieder ruhig schlafen.«
»Ich bin erleichtert, dass du das sagst. Ich habe allerdings auch noch etwas Schlimmeres zu erzählen.«
»Was meinst du?«
»Die Geschichte mit Sherry Bellows.«
»Gott, das war furchtbar. Rich tig furchtbar«, wiederholte J. R. kopfschüttelnd. »Eine so hübsche junge Frau ...« Er brach ab und erstarrte. Fragend drehte er den Kopf zu Carl D. »Allmächtiger, du glaub st doch nicht etwa, dass Hanni bal etwas damit zu tun hat?«
»Ich sollte dir das gar nicht erzählen. Aber ich habe die ganze Nacht deswegen wach gelegen. Offiziell sollte ich es eigentlich für mich behalten, aber ich kann nicht. Dein Schwager steht im Moment nicht nur ganz oben auf Liste der Verdächtigen, J. R. Er ist der einzige Verdächtige.«
J. R. sprang auf, ging ein paar Schritte am Ufer entlang und blickte über den Fluss. Es war still, nur ein paar Vögel zwitscherten leise.
»Das kriege ich nicht in meinen Kopf, Carl D. Hannibal ist ein Schläger und ein Bastard. Ich kann nichts Gutes über ihn sagen, aber dass er dieses Mädchen umgebracht haben soll ... du meine Güte ... Nein, das kriege ich nicht in meinen Kopf.«
»Er hat schon immer Frauen misshandelt.«
»Ich weiß. Ich will ihn auch nicht entschuldigen. Aber zwischen Misshandeln und Umbringen besteht ein großer Unterschied.«
»Der kann ziemlich klein werden, vor allem wenn es ein Motiv gibt.«
»Was sollte e r denn für ein Motiv haben?« J. R. hockte sich neben Carl D. und sah ihn an. »Er kannte das Mädchen ja nicht einmal.«
»Er hat sie im Laden deiner Nichte getroffen, an dem Tag, an dem sie umgebracht wurde. Und er hat mit ihr geredet. Soweit ich weiß, waren sie und Tory die Einzigen, die überhaupt wussten, dass er in der Gegend war. Und da ist noch was, das dir nicht gefallen wird«, fügte er hinzu, als er sah, dass J. R. den Kopf schüttelte. »Es tut mir unendlich Leid, dass ich deine Familie da hineinziehe, aber ich habe eine Pflicht zu erfüllen und darf mich durch Mitgefühl nicht davon abhalten lassen.«
»Darum würde ich dich auch nie bitten. Aber ich glaube, du siehst in die falsche Richtung.« J.R. setzte sich wieder hin. »Ich muss das glauben.«
»Ich habe es auch nicht von Anfang an so gesehen, sondern Tory hat mich darauf gebracht.«
»Tory?«
»Ich war mit ihr am Tatort.«
»Am Tatort?« J.R. blickte ihn entsetzt an. »Du lieber Gott, Carl D.! Warum hast du das getan? Warum hast du ihr das zugemutet?«
»Weil ein Mädchen, das ungefähr so alt war wie meine Ella, noch viel Schlimmeres durchgemacht hat. Ich habe ihr gegenüber eine Verpflichtung, und werde alles nutzen, was mir zur Verfügung steht, um diesen Fall aufzuklären.«
»Tory hat nichts damit zu tun.«
»Da irrst du dich. Sie steckt tief drin. Hör mir eine Minute lang zu, bevor du auf mich einschlägst. Ich bin mit ihr zum Tatort gegangen, und es tut mir Leid, weil es so schwer für sie war, aber ich würde es trotzdem jederzeit wieder tun. Tory wusste Dinge, die sie gar nicht wissen konnte. Sie hat genau gesehen, wie es passiert ist - als wäre sie dabei gewesen. Ich habe schon mal von
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