Lilien im Sommerwind
Geschmack. Cade hielt das eigentlich nicht für wesentlich, aber es war ein netter, angenehmer Bonus.
Anscheinend glaubte sie, er merkte nicht, wie oft ihr Blick zum Fenster glitt.
Aber er merkte alles. Ihre nervösen Hände, die ständig in Bewegung waren. Dass sie manchmal innehielt, als mühte sie sich, auf eine Veränderung in den Geräuschen draußen zu lauschen. Wie sie zusammenzuckte, als er die Hintertür zuschlagen ließ, während sie draußen im Garten arbeitete.
Er dachte an seine Mutter und ihre Gartenarbeit.
Wie sorgfältig und präzise beide Frauen in ihren Pflichten waren. Mit Hut und Handschuhen knieten sie in ihren Beeten und rissen systematisch Unkraut und verwelkte Blüten ab.
Und wie wütend beide wären, wenn sie wüssten, dass er sie miteinander verglich.
Den ganzen Morgen über waren Torys Stimme und ihr Gesicht völlig ruhig gewesen. Und das allein machte ihn wütend. Sie wollte ihre Nervosität nicht mit ihm teilen. Einen Teil von sich gab sie ihm nicht preis.
Seine Mutter hatte auch immer einen Teil von sich zurückgehalten, dachte er wieder, während er auf der Veranda herumlungerte und Tory zusah. Er war nie wirklich zu ihr durchgedrungen.
Aber zu Tory würde er durchdringen.
»Komm, wir fahren weg.«
»Weg?«
Er zog sie hoch. »Ich muss ein paar Dinge erledigen. Komm doch mit mir.«
Ihre erste Reaktion war Erleichterung. Sie würde allein sein. Sie würde sich aufs Bett legen, die Augen schließen und versuchen, den Aufruhr in ihrem Kopf zu ergründen. Ein paar Stunden Einsamkeit, um die Mauer wieder zu errichten.
»Ich habe auch so viel zu tun. Fahr einfach allein.«
»Es ist Sonntag.«
»Ich weiß, welcher Wochentag ist. Und morgen ist Montag. Ich erwarte ein paar neue Lieferungen, einschließlich einer von Lavelle Cotton. Ich muss Papierkram ...«
»Der kann bis Montag warten.« Er zog ihr die Gartenhandschuhe aus. »Ich möchte dir etwas zeigen.«
»Cade, ich kann jetzt nirgendwo hinfahren. Ich habe meine Tasche nicht hier.«
»Du brauchst sie nicht«, sagte er und zog sie zum Auto.
»So etwas kann auch nur ein Mann sagen.« Als er sie einfach ins Auto schob, blickte sie ihn finster an. »Lass mich wenigstens meine Haare noch einmal bürsten.«
Er nahm ihr den Hut ab und warf ihn auf den Rücksitz. »Sie sehen gut aus.« Bevor sie noch eine weitere Ausrede finden konnte, setzte er sich hinter das Steuer. »Und wenn sie vom Wind zerzaust werden, finde ich das richtig sexy.«
Cade setzte seine Sonnenbrille auf und legte den Rückwärtsgang ein. »Das ist auch so eine Bemerkung, die nur ein Mann machen kann.« Er bog auf die Straße und gab Gas. »Du siehst hübsch aus, wenn du wütend bist.«
»Dann muss ich ja jetzt eine Schönheit sein.«
»Das bist du auch, mein Liebling. Aber mir gefällt dein Aussehen in jeder Stimmung. Das ist doch praktisch, oder? Wie lange kennen wir uns jetzt schon, Tory?«
Sie hielt sich mit einer Hand die Haare aus dem Gesicht. »Insgesamt? Ungefähr zwanzig Jahre.«
»Nein. Wir kennen uns jetzt seit zweieinhalb Monaten. Vorher haben wir uns nur flüchtig gekannt. Aber seit über zwei Monaten kennen wir uns wirklich. Möchtest du wissen, was ich in dieser Zeitspanne über dich gelernt habe?«
Tory konnte seine Stimmung nicht ganz einschätzen. Sein Tonfall war zwar leicht und sein Gesicht entspannt, aber irgendetwas stimmte nicht. »Ich bin mir nicht sicher.«
»Eine Sache, die ich gelernt habe, ist zum Beispiel: Victoria Bodeen ist eine vorsichtige Frau. Sie ist umsichtig und sie vertraut jemandem nicht leichtfertig. Noch nicht einmal sich selbst.«
»Wenn man nicht umsichtig ist, kann man leicht verletzt werden.«
»Das ist auch so eine Sache - Logik. Eine vorsichtige und logische Frau. Nun, das könnte für manche Menschen eine ziemlich gewöhnliche, ja sogar uninteressante Kombination sein. Aber diese Menschen sehen nicht das Ganze. Sie wissen nichts von der Entschlossenheit, dem Verstand, dem Witz und der Freundlichkeit. Und die meisten wissen auch nichts von der Warmherzigkeit, die umso kostbarer ist, weil sie so selten zum Tragen kommt. Und all das ist - manchmal zu fest - in ein sehr attraktives Paket verpackt.«
Er bog auf einen schmalen Feldweg ein und fuhr langsamer.
»Das ist ja eine umfassende Analyse.«
»Sie kratzt kaum an der Oberfläche. Du bist eine komplexe, faszinierende Frau. Kompliziert und schwierig. Fordernd, weil du dich weigerst zu fordern. Es ist schwer für das Ego eines Mannes, dass du ihn nie um
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