Lilien im Sommerwind
verstanden, und ich werde auch damit fertig. Meine Mutter ... damit werde ich auch fertig. Ich kann sowieso nichts daran ändern.«
»Du musst nicht allein damit fertig werden.«
»Ich weiß. Ich bin hierher zurückgekommen, um mich zu stellen. Um das, was mit Hope passiert ist aufzulösen oder zumindest zu akzeptieren. Ich habe das Gerede, die Blicke, die Spekulationen und die Neugier erwartet. Ich wollte sie nutzen, um mein Geschäft aufzubauen. Das ist kaltblütig.«
»Nein, es ist gesunder Menschenverstand. Ein bisschen hart vielleicht, aber nicht kaltblütig.«
»Ich bin meinetwegen zurückgekommen«, sagte sie ruhig. »Um es mir zu beweisen. Ich habe damit gerechnet, dass ich dafür bezahlen muss. Ich wollte meine Rastlosigkeit stillen, aber ich wusste, dass ich dafür würde bezahlen müssen. Mit dir habe ich nicht gerechnet.«
Sie drehte sich um. »Mit dir habe ich nie gerechnet, Cade. Und ich weiß nicht, was ich mit all dem Gefühl machen soll, das ich für dich empfinde.«
Er trat zu ihr und strich ihr die Haare aus dem Gesicht. »Du wirst es schon noch herausfinden.«
»Für dich ist es so leicht.«
»Vermutlich weil ich immer schon auf dich gewartet habe.«
»Cade, mein Vater ... Ein Teil von ihm ist auch in mir. Das musst du bedenken.«
»Wirklich?« Er blickte sie nachdenklich an, während er mit ihr zum Schlafzimmer ging. »Wahrscheinlich hast du Recht. Dann sollte ich dir aber auch die Chance geben, über meinen Urgroßvater Horace nachzudenken, der eine lange, ausschweifende Affäre mit dem Bruder seiner Frau hatte. Als sie es herausfand und in ihrem Entsetzen drohte, ihn bloßzustellen, brachte Horace sie gemeinsam mit seinem Liebhaber um und machte die Alligatoren ein paar Tage lang dick und glücklich.«
»Das erfindest du.«
»Keineswegs.« Er zog sie aufs Bett. »Na ja, das mit den Alligatoren ist eine Familienlegende. Manche behaupten auch, sie sei einfach nach Savannah geflohen und habe dort bis ins hohe Alter von sechsundneunzig Jahren einsam und unglücklich gelebt. Auf jeden Fall ist das ein dunkler Punkt in der Familiengeschichte der Lavelles.«
Sie lehnte den Kopf an seine Schulter. »Dann kann ich ja von Glück sagen, dass ich keine Brüder habe.«
»Da hast du Recht. Schlaf jetzt, Tory. Nur wir beide sind hier. Und das allein zählt.«
Als sie eingeschlafen war, lag er noch lange wach und lauschte auf die Geräusche der Nacht.
28
»Ich bitte dich, mich zu lassen.«
Tory blickte auf die Türme von Beaux Reves. »Du stellst mich schon wieder zwischen dich und deine Mutter, Cade. Das ist nicht fair.«
»Nein. Aber ich muss mit ihr sprechen, und ich möchte nicht, dass du allein in die Stadt fährst. Ich will nicht, dass du allein bist, solange das noch nicht ausgestanden ist, Tory.«
»Gut, das sehe ich auch so. Aber ich kann doch im Auto warten.«
»Lass uns einen Kompromiss schließen.«
»Oh, wann hast du denn das Wort in dein Vokabular aufgenommen?«
Er lächelte sie an. »Wir gehen durch die Hintertür, und du kannst in der Küche warten. Dort hält sich meine Mutter selten auf.«
Sie wollte widersprechen, schwieg dann aber. Er würde alle ihre Einwände einfach vom Tisch fegen, und sie war zu erschöpft, um sich deswegen mit ihm zu streiten.
Solange es noch nicht ausgestanden ist, sagte er. Als ob es jemals vorbei sein würde.
Sie stieg aus dem Wagen und ging mit ihm über den Gartenweg, vorbei an den blühenden Rosen, den Kamelien mit den glänzenden Blättern, hinter denen ein kleines Mädchen einmal sein Fahrrad versteckt hatte, den Azaleen, die schon längst verblüht waren, und dem duftenden Lavendel.
Hier war die Welt voller Farbe und Duft. Wie ein wunderschönes Gemälde.
Margarets Welt, dachte Tory. Genau wie die perfekte Innenausstattung des Hauses. Es gab nichts zu verändern. Es musste schwierig für sie sein, das Gleichgewicht zu halten, jetzt da Tory in diese Welt eindrang.
»Du verstehst sie nicht.«
»Wie bitte?«
»Deine Mutter. Du verstehst sie überhaupt nicht.«
Fasziniert verschränkte Cade seine Finger mit ihren. »Habe ich dir den Eindruck vermittelt, dass ich sie verstünde?«
»Das ist ihre Welt, Cade. Das ist ihr Leben. Das Haus, der Garten, der Blick aus den Fenstern. Auch vor Hopes Tod war es der Mittelpunkt ihres Lebens, den sie gepflegt und erhalten hat. Und damit hat sie auch nach dem Verlust ihres Kindes weitergemacht«, sagte sie und sah ihn an. »Das alles konnte sie behalten. Es berühren, es sehen und sicher
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