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Lilien im Sommerwind

Lilien im Sommerwind

Titel: Lilien im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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das Messer zu holen. Am liebsten wäre sie ins Auto gestiegen und in die Stadt zu ihrem Onkel gefahren. Aber wenn sie die erste Nacht nicht in diesem Haus verbrachte, dann würde sie es wahrscheinlich auch in den nächsten Nächten nicht schaffen.
    Tory setzte sich mit dem Rücken an die Wand und starrte aus dem Fenster, bis die Dunkelheit der Dämmerung wich und die ersten Vögel sangen.
     
    Er hatte Angst gehabt. Als er leise ans Fenster geschlichen war, hatte er ein Gefühl verspürt, das er sonst kaum kannte. Angst hatte ihm die Kehle zugeschnürt.
    Tory Bodeen war wieder dort, wo alles begonnen hatte.
    Sie schlief, auf dem Boden zusammengerollt wie eine Landstreicherin, und er konnte im Mondlicht ihre Wangenlinie und die Form ihres Mundes erkennen.
    Er würde etwas tun müssen. Das hatte er gewusst und folglich begonnen, sein Vorhaben ruhig und beharrlich zu planen. Aber sie hier zu sehen, wühlte ihn dennoch auf. Plötzlich erinnerte er sich wieder lebhaft an alles, nur weil er sie sah.
    Er war verblüfft gewesen, als sie aufwachte und aus dem Schlaf hochschoss wie ein Pfeil von der Sehne. Trotz der Dunkelheit hatte er die Visionen in ihren Augen gesehen, und der Schweiß war ihm auf die Stirn getreten. Aber es war ja dunkel, und es gab viele Möglichkeiten, sich zu verstecken.
    Er hatte sich eng an die Wand gedrückt und gesehen, wie Faith gekommen war. Ihr helles Haar, das im Mondlicht schimmerte, bildete einen interessanten Kontrast zu Torys dunklen Haaren. Tory, die das Licht eher zu absorbieren als abzugeben schien.
    Er hatte natürlich in dem Moment, wo sie beieinander standen und ihre Stimmen sich vermischten, gewusst, wohin sie ihn führen würden. Wohin er sie führen würde.
    Es würde so sein wie beim ersten Mal, vor so langer Zeit. Es würde so sein, wie er es sich achtzehn Jahre lang immer wieder ins Gedächtnis gerufen hatte.
    Es würde vollkommen sein.
    Tory hatte vorgehabt, früh aufzustehen. Als das Klopfen an der Vordertür sie um acht Uhr weckte, wusste sie nicht genau, ob sie sich eher über sich oder über den neuen Besucher ärgern sollte. Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen, taumelte blinzelnd aus dem Schlafzimmer und schloss die Tür auf.
    Müde starrte sie durch die Glastür auf Cade. »Vielleicht brauche ich ja keine Miete zu zahlen, wenn die Lavelles beschlossen haben, dieses Haus zu ihrem Heim zu machen.«
    »Wie bitte?«
    »Nichts.« Sie schubste die Glastür halbherzig auf und drehte sich dann um. »Ich brauche einen Kaffee.«
    »Habe ich dich geweckt?« Cade folgte ihr in die Küche. »Farmer denken immer, alle anderen müssten auch schon im Morgengrauen auf sein. Ich ...« Fassungslos blieb er an der offenen Schlafzimmertür stehen. »Du meine Güte, Tory, du hast ja noch nicht einmal ein Bett!«
    »Ich kaufe mir heute eins.«
    »Warum hast du nicht bei J. R. und Boots geschlafen?«
    »Weil ich nicht wollte.«
    »Du schläfst lieber auf dem Fußboden? Was ist das denn?« Genauso selbstverständlich wie seine Schwester in der Nacht zuvor trat er ins Zimmer und kam mit dem Messer in der Hand zurück.
    »Na, meine Häkelnadel, was denn sonst? Ich häkele mir gerade eine Decke.« Als Cade Tory nur anstarrte, atmete sie zischend aus und ging in die Küche. »Es ist spät geworden heute Nacht und ich habe schlechte Laune, also pass auf, was du sagst.«
    Schweigend steckte er das Messer wieder in den Messerblock. Während sie Wasser aufsetzte und Kaffeepulver in die Kanne gab, stellte er einen Teller auf die Theke.
    »Was ist das?«
    »Lilah hat es mir mitgegeben, weil sie wusste, dass ich heute früh hierher kommen wollte.« Cade hob eine Ecke der Folie über dem Teller an. »Kaffeekuchen. Sie sagte, du isst ihren Kaffeekuchen mit saurer Sahne so gern.«
    Tory starrte ihn an, und sie erschraken beide, als sich ihre Augen mit Tränen füllten. Doch bevor er sich rühren konnte, hob sie abwehrend die Hand und wandte sich ab.
    Cade konnte nicht widerstehen und fuhr ihr mit der Hand über die Haare, ließ sie aber wieder sinken, als Tory entschlossen einen Schritt zurücktrat.
    »Sag ihr vielen Dank. Geht es ihr gut?«
    »Warum kommst du nicht einfach und überzeugst dich selbst davon?«
    »Nein, jetzt noch nicht.« Tory hatte sich wieder gefasst, öffnete den Schrank und holte eine Tasse heraus.
    »Bietest du mir auch etwas an?«
    Sie blickte über die Schulter. Ihre Augen waren wieder trocken und klar. Er sieht nicht wie ein einfacher Farmer aus, dachte sie. Er war schlank und

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