Lilien im Sommerwind
für die einst duftende Blüte zu empfinden. Wenn Hope am Leben geblieben wäre, hätte sie alle Hoffnungen und Träume erfüllt, die eine Mutter in ihre Tochter projiziert. Sie hätte dem Namen Lavelle neuen Glanz verliehen.
Jasper wäre stark und beständig geblieben, hätte sich nicht mit leichten Frauen eingelassen und Skandale provoziert. Er wäre nie von dem Pfad abgewichen, den sie beide eingeschlagen hatten, und hätte es nicht seiner Frau überlassen, ihren Namen rein zu halten.
Aber Jasper hatte am Schluss nur noch Aufruhr verursacht - oder sich grübelnd zurückgezogen. Das Leben mit ihm war eine einzige Kette von Ereignissen gewesen, wobei das letzte in der Geschmacklosigkeit bestanden hatte, dass er im Bett seiner Geliebten einen tödlichen Herzanfall erlitt. Die Tatsache, dass die Frau den Verstand und die Würde besessen hatte, sich im Hintergrund zu halten, als der Vorfall vertuscht wurde, saß Margaret immer noch wie eine Gräte quer im Hals.
Alles in allem war es sicher leichter, Jaspers Witwe zu sein, als seine Frau gewesen zu sein.
Margaret konnte nicht sagen, warum sie gerade jetzt so viel an ihn dachte, an diesem herrlich kühlen Morgen, an dem der Tau noch auf den Blüten lag und der Himmel in einem sanften, klaren Frühlingsblau erstrahlte.
Jasper war ein guter Ehemann gewesen. In der ersten Zeit ihrer Ehe war er ein starker und zuverlässiger Ernährer, ein Mann, der die Entscheidungen so traf, dass sie sich um die Details nicht zu kümmern brauchte. Er war auch ein aufmerksamer Vater, vielleicht lediglich eine Spur zu nachsichtig.
Die Leidenschaft zwischen ihnen hatte sich am ersten Jahrestag ihrer Hochzeit gelegt. Aber Leidenschaft war ohnehin problematisch und lenkte nur ab. Doch selbstverständlich hatte Margaret Jasper nie abgewiesen.
Darauf war sie stolz. Sie war stolz, dass sie eine gute und pflichtbewusste Ehefrau gewesen war. Hatte sie nicht sogar, als allein der Gedanke an Sex ihr Übelkeit bereitete, schweigend dagelegen und ihm erlaubt, sich Erleichterung zu verschaffen?
Sie knipste weitere verwelkte Blüten ab und legte sie in ihren Korb.
Jasper war derjenige gewesen, der sich abwandte. Er hatte sich verändert. Nichts war mehr so wie früher gewesen in ihrer Ehe, in ihrem Leben, in ihrem Heim, seit jenem schrecklichen Morgen, jenem heißen, stickigen Augustmorgen, als sie Hope im Sumpf gefunden hatten.
Die süße, fröhliche Hope, dachte Margaret mit einer Trauer, die mit den Jahren sowohl dumpfer als auch schwerer geworden war. Hope, ihr heller kleiner Engel, das einzige ihrer Kinder, mit dem sie sich wirklich verbunden gefühlt hatte, das wirklich ihres gewesen war.
Nach all diesen Jahren gab es immer noch Zeiten, in denen Margaret sich fragte, ob dieser Verlust wohl eine Art Strafe gewesen war, weil ihr gerade das Kind genommen wurde, das sie am meisten liebte. Aber welches Verbrechen, welche Sünde hatte sie begangen, die eine solche Strafe verdiente?
Nachsichtigkeit vielleicht. Sie war zu nachsichtig mit dem kleinen Mädchen gewesen. Sie hätte ihrer süßen, unschuldigen Hope den Umgang mit dem Bodeen-Mädchen verbieten müssen. Dies nicht zu tun, war sicher ein Fehler gewesen, aber bestimmt keine Sünde.
Und wenn es eine Sünde gewesen wäre, hätte eher Jasper sie begangen. Er hatte ihre Befürchtungen weggewischt, er hatte sogar darüber gelacht. Das Bodeen- Mädchen sei harmlos, hatte er erklärt. Harmlos.
Jasper hatte für diese Fehleinschätzung, diesen Fehler, diese Sünde, den Rest seines Lebens teuer bezahlt. Und es war immer noch nicht genug. Es würde nie genug sein.
Das Bodeen-Mädchen hatte Hope getötet, es war, als ob es ihr selbst mit seinen kleinen, schmutzigen Händen die Kehle zugedrückt hätte.
Und jetzt war sie wieder da. Wieder in Progress, wieder in ihrem alten Haus, wieder in ihrem Leben. Als ob sie geradezu ein Recht dazu hätte.
Margaret riss eine Winde aus und warf sie in ihren Korb. Ihre Großmutter hatte immer gesagt, Unkräuter seien nur Wildblumen, die an der falschen Stelle wuchsen. Aber das stimmte nicht. Sie waren Eindringlinge und mussten ausgerissen, abgeschnitten und zerstört werden.
Auch Victoria Bodeen durfte in Progress keine Wurzeln fassen und blühen.
Sie sieht hübsch aus, dachte Cade. Seine Mutter, diese bewundernswerte, unerreichbare Frau. Sie zog sich für den Garten genauso an, wie sie sich für alle Gelegenheiten anzog. Sorgfältig und perfekt.
Sie trug einen breitkrempigen Strohhut mit einem
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