Lilien im Sommerwind
du bei der Reinigung vorbeifahren und alles abholen, was ich letzte Woche hingeschleppt habe. Die meisten Sachen waren sowieso von dir. Der Himmel weiß, was du mit fünfzig Seidenblusen anstellst.«
Faith kniff die Augen zusammen. »Sonst noch was?«, fragte sie zuckersüß.
»Es steht alles auf der Liste, klar und deutlich. Dann ist dir auch nicht mehr langweilig. Und jetzt zieh dich an, es ist schon gleich Mittag. Es ist eine Sünde, den halben Tag faul im Morgenmantel herumzulungern. Na los, mach schon!«
Lilah ergriff Faiths Tasse und Teller und scheuchte das Mädchen aus der Küche hinaus.
»Ich habe noch nicht zu Ende gefrühstückt!«
»Mir ist gar nicht aufgefallen, dass du überhaupt gegessen hast. Du hast doch nur daran herumgepickt. Und jetzt raus hier, und mach dich zur Abwechslung mal nützlich.«
Lilah verschränkte die Arme und starrte Faith mit schief gelegtem Kopf an. Sie konnte einen auf eine Art und Weise anstarren, die selbst den Tapfersten erzittern ließ. Faith marschierte schniefend aus der Küche. »Warte nur, bis ich wieder zurück bin!«, rief sie über die Schulter.
Kopfschüttelnd und schmunzelnd trank Lilah Faiths Kaffee aus. »Manche Hühnchen lernen nie, wer den Hühnerhof beherrscht.«
Wade hatte drei Jahre und sechzehn Welpen gebraucht, um Dottie Betrum davon zu überzeugen, dass sie ihren übernervösen Labrador- Retriever- Mischling sterilisieren lassen sollte. Der letzte Wurf von sechs war gerade entwöhnt, und während die Mama sich von der Narkose erholte, impfte Wade die fröhlich bellenden Welpen.
»Ich kann die Nadeln gar nicht sehen, Wade. Mir wird dann immer ganz schwindlig.«
»Sie brauchen ja nicht hinzusehen, Mrs. Betrum. Wollen
Sie nicht lieber so lange draußen warten? Ich bin in ein paar Minuten fertig.«
»Oh.« Sie hob nervös die Hände an ihre Wangen, und ihre kurzsichtigen Augen blickten Wade hinter den dicken Brillengläsern bekümmert an. »Ich habe das Gefühl, ich sollte hier bleiben. Es kommt mir nicht richtig vor, einfach...« Sie brach ab, als Wade die Nadel unter das Fell schob.
»Maxine, bring bitte Mrs. Betrum ins Wartezimmer.« Er blinzelte seiner Sprechstundenhilfe zu. »Ich komme hier schon allein zurecht.«
Ich komme sogar besser allein zurecht, dachte er, während Maxine der taumelnden Frau aus dem Zimmer half, wenn nette, alte Damen mir nicht zusammenbrechen.
»So, fertig, kleiner Kerl.« Wade rieb den Bauch des Welpen und machte mit den Untersuchungen weiter. Er wog die Hunde, putzte die Ohren aus, untersuchte sie auf Parasiten und füllte Krankenblätter aus, während das Fiepen und Bellen den Raum erfüllte.
Mrs. Betrums Sadie schlief friedlich ihre Narkose aus, der Kater des alten Mr. Klingle lief fauchend in seinem Käfig hin und her, und Speedy Petey, das Hamstermaskottchen der dritten Klasse der Grundschule in Progress, drehte sich in seinem Rad und bewies so, dass er sich von seiner leichten Blaseninfektion wieder erholt hatte.
Für Dr. Wade Mooney war dies alles sein ganz persönliches Paradies.
Er versorgte den letzten Welpen, während die Geschwister übereinander purzelten, an seinen Schnürsenkeln zerrten oder auf den Fußboden pinkelten. Mrs. Betrum hatte ihm versichert, dass sie für fünf der Welpen schon ein gutes Zuhause gefunden hatte. Wie immer hatte er ihr Angebot, doch selbst auch einen zu nehmen, freundlich abgelehnt.
Aber er hatte schon eine Idee, wo der letzte aus dem Wurf gut untergebracht werden könnte.
»Doc Wade?« Maxine stand in der Tür.
»Ich bin fertig. Dann wollen wir die Truppe mal wieder einsammeln.«
»Sie sind so süß!« Maxines dunkle Augen funkelten. »Ich dachte, dieses Mal würden Sie schwach werden und einen nehmen.«
»Wenn man einmal damit anfängt, hört man nie wieder auf.« Doch Wades Grübchen wurden tiefer, als ein Welpe auf seiner Hand herumzappelte.
»Ich wünschte, ich könnte einen nehmen.« Maxine schmuste mit einem Welpen, der ihr mit rasender Geschwindigkeit liebevoll das Gesicht ableckte.
Sie vergötterte Tiere, deshalb empfand sie die Möglichkeit, bei Doc Wade arbeiten zu können, als vom Himmel gesandt. Aber sie hatten zu Hause schon zwei Hunde, und Maxine war klar, dass sie ihre Eltern nie dazu würde überreden können, noch einen weiteren aufzunehmen.
Sie stammte aus ärmlichen Verhältnissen, und ihre Eltern hatten sich die Finger wund gearbeitet, um ihrer Tochter und ihren beiden jüngeren Brüdern etwas Besseres zu ermöglichen. Doch das Geld war
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