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Lilien im Sommerwind

Lilien im Sommerwind

Titel: Lilien im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Es war wie bei Hope.«
    »Ich weiß.«
    »Nein, du verstehst mich nicht. Der Mann, der das arme Mädchen umgebracht und hier zwischen den Bäumen liegen gelassen hat, hat auch Hope umgebracht.«
     

Progress
     
    Fortschritt
    Willst du wissen, was Revolution ist, nenn es Fortschritt, und willst du wissen, was Fortschritt ist, nenn es Morgen.
     
    Victor Hugo
     

11
     
    Ich wollte es nicht glauben. Es gab Dutzende von rationalen und logischen Gründen, warum Tory sich irrt, und es gibt sie noch. Kleinere und größere Details, die ihre Behauptung, der Teenager sei am Straßenrand umgebracht worden, unmöglich machen. Das Mädchen konnte unmöglich von demselben Monster umgebracht worden sein wie meine Schwester.
    Die kleine Hope mit ihren wehenden Haaren und den Augen voller Freude und Geheimnisse.
    Ich kann diese Details jetzt hier auflisten, aber gestern Abend konnte ich sie Tory nicht sagen. Ich weiß, dass ich sie enttäuscht habe. Ich habe es daran gemerkt, wie sie mich angesehen hat, wie sie sich wieder hinter ihrer Mauer aus Schweigen verschanzt hat. Ich weiß, dass ich sie verletzt habe, weil ich ihre Geschichte beiseite geschoben habe, weil ich vorgeschlagen, nein, darauf bestanden habe, dass sie sie auf sich beruhen lassen soll.
    Aber was sie mir erzählt hat, was ich durch ihre Augen gesehen habe, das Entsetzen, das sie vor meinen Augen durchlebt hat und von dem sie später mit so ruhiger Zurückhaltung sprach, hat alles wieder zurückgebracht. Hat mir jenen längst vergangenen Sommer, in dem sich alles änderte, wieder zurückgebracht.
    Vielleicht hilft es mir mehr, von Hope zu schreiben, als von dem unglückseligen jungen Mädchen, das ich nie gekannt habe.
    Ich sitze hier am Schreibtisch meines Vaters - denn er wird für jeden, und auch für mich, immer der Schreibtisch meines Vaters bleiben - und drehe die Tage, Monate und Jahre zurück, bis ich wieder zwölf bin, noch unschuldig genug, um sorglos mit den Menschen umzugehen, die ich liebe, um meine Freunde für wichtiger zu halten als die Familie, um noch von dem Tag zu träumen, an dem ich endlich Autofahren oder trinken oder irgendeine dieser magischen Sachen tun darf die der Welt der Erwachsenen vorbehalten sind.
    Wie immer hatte ich an jenem Morgen meine Pflichten erledigt. Mein Vater nahm es mit Verantwortung sehr genau, und er hämmerte mir ein, was er von mir erwartete. Zumindest war er so, bevor wir Hope verloren. Ich war am späten Vormittag mit ihm über die Felder gegangen. Ich erinnere mich noch, wie ich dastand und über dieses Meer von Baumwolle blickte. Mein Vater baute hauptsächlich Baumwolle an, auch wenn die meisten der benachbarten Farmen bereits zu Sojabohnen, Tomaten oder Tabak übergegangen waren. Beaux Reves bedeutete Baumwolle, und das durfte ich nie vergessen.
    Ich vergaß es auch nie.
    An jenem Tag war der Grund dafür ganz einfach zu verstehen. Ich blickte über die unendlichen Weiten, sah die Magie der aufbrechenden Ballen. Die Pflücker, gebeugt unter der Last - manche von ihnen trugen weit über hundert Ballen, alle aufgeplatzt wie Eier. Und so spät im Jahr waren die Felder derart üppig, dass die ganze Luft nach Baumwolle roch. Der heiße Geruch des sterbenden Sommers.
    Es sollte in jenem Jahr eine gute Ernte werden. Die Baumwolle ergoss sich über die Felder, wurde gepflückt, verpackt und verarbeitet. Beaux Reves blühte und gedieh.
    Kurz nach Mittag entließ mich mein Vater. Er erwartete zwar von mir, dass ich arbeitete, lernte und schwitzte, aber er wollte auch, dass ich mich wie ein Junge benahm. Er war ein guter Mann, ein guter Vater, und in den ersten zwölf Jahren meines Lebens bedeutete er für mich Geborgenheit, Wärme und Güte.
    Er fehlte mir schon, lange bevor er starb.
    Als er mir jedoch an jenem Tag freigab, nahm ich mein Fahrrad, das schnittige Zwölfgangrad, das ich zu Weihnachten bekommen hatte, und fuhr durch die schwülheiße Luft zu Wade. Er hatte ein Baumhaus hinten im Garten in einer alten Platane. Dwight und Wade waren schon da, tranken Limonade und lasen Comics. Es war viel zu heiß, um irgendetwas anderes zu tun, selbst, wenn man erst zwölf war.
    Aber Wades Mama ließ uns nie in Ruhe. Ständig kam sie aus dem Haus und rief hinauf, ob wir nicht dieses oder jenes wollten, ob wir nicht hereinkommen und etwas Kaltes trinken und ein Thunfisch-Sandwich essen wollten. Miss Boots war wirklich liebenswert, aber in jenem Sommer ging sie uns allen gewaltig auf die Nerven. Wir standen an der Schwelle

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