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Lilien im Sommerwind

Lilien im Sommerwind

Titel: Lilien im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Ihr Kopf fiel nach hinten, aber ihre Augen waren geöffnet. Weit offen. »Er gibt dir eine Flasche. Jack Black. Blackjack. Du nimmst einen tiefen Schluck. Weil du Durst hast, und weil es so cool ist, durch die Gegend zu fahren und Whiskey zu trinken.
    Es muss die Flasche gewesen sein, mit der er dich geschlagen hat. Das muss so gewesen sein, weil du sie ihm gereicht hast und lachtest, und dann krachte etwas gegen deine Schläfe. O Gott. Es tut so weh!«
    Tory taumelte und hob ihre Hand an die Wange. Sie schmeckte Blut.
    »Nein! Nicht.« Cade zog sie an sich, beinahe überrascht, dass sie sich in seinen Armen nicht auflöste wie Rauch.
    »Ich kann nichts sehen. Ich kann es nicht. In ihm ist nichts. Nur Leere. Warte. Warte!« Ihr Atem kam stoßweise, und sie ballte die Hände zu Fäusten, als sie versuchte, das Bild deutlicher zu bekommen. Übelkeit überflutete sie, aber es gelang ihr, und sie konnte es sehen.
    »Er hat sie dahin mitgenommen.« Tory begann, hin und her zu schaukeln. »Ich kann nicht! Ich kann es einfach nicht.«
    »Du musst auch nicht. Es ist jetzt gut. Komm mit zurück zum Auto.«
    »Er hat sie da hineingezerrt.« Mitleid und Trauer überdeckten alles andere. »Er vergewaltigt sie.« Jetzt schloss Tory die Augen und ließ zu, dass sich das Bild ihr einbrannte. »Du wehrst dich. Er tut dir weh, und du hast solche Angst! Er schlägt dich wieder, zweimal, fest ins Gesicht. Oh, es tut so weh, es tut so weh, es tut so weh ... Du willst nicht hier sein. Du willst zu deiner Mutter. Du schreist, während er grunzt und keucht.
    Du riechst seinen Schweiß und sein Geschlecht und dein eigenes Blut und du kannst dich nicht mehr wehren.«
    Tory fuhr sich mit den Händen durch das Gesicht. Sie musste die Linien ihrer Wangen, ihrer Nase, ihres Mundes fühlen, damit sie sich wieder erinnern konnte, wer sie war.
    »Ich kann ihn nicht sehen. Es ist dunkel, und er ist nur ein Ding. Es gibt nichts an ihm, das mir real vorkommt. Sie sieht ihn auch nicht, nicht wirklich. Auch nicht, als er sie mit seinen eigenen Händen erwürgt. Es dauert nicht lange, weil sie sowieso kaum noch bei Bewusstsein ist und sich kaum wehrt. Sie war nur eine halbe Stunde mit ihm zusammen, und jetzt ist sie tot. Sie liegt nackt im Schatten der Bäume. Dort lässt er sie zurück. Er ... er hat gepfiffen, als er zum Auto zurückging.«
    Entschlossen trat Tory einen Schritt von Cade zurück. Er konnte nur ihr Gesicht sehen, bleich wie der Mond, mit verhangenen Augen.
    »Sie war erst sechzehn. Ein hübsches Mädchen mit langen blonden Haaren und langen Beinen. Sie hieß Alice, aber sie mochte den Namen nicht, deshalb nannte sie sich Ally.«
    Anstrengung und Kummer überwältigten sie und sie brach zusammen.
    Cade fing Tory auf und hob sie hoch. Schlaff wie eine Tote lag sie in seinen Armen. Erschüttert über die Geschichte, die sie ihm erzählt hatte, und besorgt darüber, dass sie so still war, trug er sie rasch zum Auto. Er hoffte, dass es ihr wieder besser ging, wenn sie diesen Ort erst einmal verlassen hatten.
    Als er sie auf den Rücksitz des Wagens legte, rührte sie sich. Ihre Augen waren dunkel und verschleiert.
    »Alles ist in Ordnung. Dir geht es gut. Ich fahre dich nach Hause.«
    »Ich brauche nur noch eine Minute.« Die Übelkeit wurde stärker, und ihr war kalt. Aber das würde vorübergehen. Das Entsetzen hingegen würde länger anhalten. »Es tut mir Leid.« Sie zuckte hilflos mit den Schultern. »Es tut mir so Leid.«
    »Warum?« Cade ging um die Motorhaube herum und setzte sich wieder hinter das Steuer. Einen Moment lang saß er nur still da. »Ich weiß nicht, was ich für dich tun soll. Ich müsste doch irgendetwas tun können! Ich fahre dich jetzt nach Hause, dann kehre ich wieder hierher zurück und ... ich werde sie finden.«
    Verwirrt starrte Tory ihn an. »Sie ist jetzt nicht mehr hier! Das ist schon vor langer Zeit passiert. Vor Jahren.«
    Cade wollte etwas sagen, brach dann aber ab. Alice, hatte sie gesagt. Ein junges, blondes Mädchen namens Alice. Eine Erinnerung stieg in ihm auf, und ihm wurde übel. »Überkommt es dich immer einfach so? Aus dem Nichts?«
    »Manchmal.«
    »Es tut dir weh.«
    »Nein, es erschöpft mich, bereitet mir Übelkeit, aber es tut nicht weh.«
    »Es tut dir weh«, widersprach er und ließ den Motor
    an.
    »Cade.« Zögernd berührte sie seine Hand. »Es war ... Es tut mir Leid, dass ich das erwähnen muss, aber du sollst es wissen. Es war wie bei Hope. Deshalb überfiel es mich auch so heftig.

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