Lilien im Sommerwind
zerknitterten Morgenmantel und ihre zerzausten Haare. Diese Aufmachung war genau das, was sie von einer Bodeen erwartet hatte. »Ich bitte um Verzeihung. Ich dachte, um neun seien Sie bereits aufgestanden und auf den Tag vorbereitet.«
»Ja. Ja, das ist normalerweise auch so.« Verlegen zerrte Tory am Gürtel ihres Morgenmantels. »Ich habe ... ich habe heute leider verschlafen.«
»Ich möchte kurz mit Ihnen reden. Wenn ich hereinkommen dürfte?«
»Ja. Natürlich.« Um Fassung ringend öffnete Tory die Glastür. »Es tut mir Leid, aber das Haus ist nicht viel präsentabler als ich.«
Sie hatte einen Sessel gefunden, der ihr gefiel, einen großen, dick gepolsterten Ohrensessel in verblichenem Blau. Daraus und aus einem kleinen Tisch, den sie noch herrichten wollte, bestand ihre gesamte Wohnzimmereinrichtung.
Es gab keinen Teppich, keine Vorhänge, keine Lampe. Das Haus war zwar nicht schmutzig oder staubig, aber Tory kam sich trotzdem so vor, als habe sie eine Königin in eine Hütte eingeladen.
Ihre Stimme hallte in dem fast leeren Zimmer, während Margaret sich mit verächtlichen Blicken umsah.
»Ich habe mich darauf konzentriert, meinen Laden einzurichten, und hier noch nicht ...« Tory ertappte sich dabei, dass sie die Hände zusammenpresste, und zwang sich, ihre Finger wieder voneinander zu lösen. Verdammt, sie war doch nicht mehr acht Jahre alt, kein Kind mehr, das bei der Missbilligung der Mutter einer Freundin erstarrte!
»Ich habe gerade Kaffee gekocht«, sagte sie höflich. »Möchten Sie einen?«
»Kann ich mich hinsetzen?«
»Ja. Bitte kommen Sie mit. Ich lebe im Moment hauptsächlich in der Küche und im Schlafzimmer, und das wird auch so bleiben, bis mein Geschäft erst einmal läuft.« Hör auf zu plappern, sagte Tory sich, während sie auf einen Stuhl wies. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.
»Bitte, setzen Sie sich doch.«
Zumindest habe ich einen guten, soliden Küchentisch und stabile Stühle gekauft, dachte sie. Und die Küche war sauber und wirkte fröhlich, mit den Kräutertöpfen auf der Fensterbank und der dunkel glasierten Schüssel aus ihrem Laden, die auf dem Tisch stand.
Tory entspannte sich, während sie den Kaffee einschenkte und die Zuckerdose herausholte, aber als sie den Kühlschrank öffnete, wurde sie aufs Neue verlegen.
»Leider habe ich keine Sahne oder Milch.«
»Es geht schon so.« Margaret schob ihre Tasse unmerklich zur Seite. Ein subtiler Schlag ins Gesicht. »Würden Sie sich bitte auch setzen?« Margaret schwieg einen Moment lang. Sie wusste, wie wichtig Schweigen zum rechten Zeitpunkt war.
Als Tory sich gesetzt hatte, legte Margaret ihre gefalteten Hände auf die Tischplatte und begann.
»Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie sich mit meinem Sohn eingelassen haben.« Erneutes Schweigen, während sie beobachtete, wie sich Überraschung auf Torys Gesicht abzeichnete. »Kleinstadtklatsch ist ebenso unattraktiv wie unvermeidlich.«
»Mrs. Lavelle ...«
»Bitte.« Margaret schnitt ihr das Wort ab, indem sie einen Finger hob. »Sie waren viele Jahre weg. Sie haben zwar familiäre Bindungen in Progress, sind aber eigentlich neu zugezogen. Buchstäblich eine Fremde. Aus was für einem Grund auch immer haben Sie beschlossen, zurückzukehren und hier ein Geschäft zu eröffnen.«
»Wollen Sie die Gründe dafür wissen, Mrs. Lavelle?«
»Ihre Gründe interessieren mich nicht. Ich will aufrichtig sein: Ich habe es nicht gebilligt, dass mein Sohn ihnen den Laden und dieses Haus hier vermietet hat. Aber Cade ist das Familienoberhaupt, und daher obliegen ihm die geschäftlichen Entscheidungen. Wenn jedoch diese Entscheidungen und ihre Resultate das Ansehen unserer Familie beeinträchtigen, dann ist das etwas anderes.«
Je länger Margaret in diesem sanften, unversöhnlichen Ton mit ihr sprach, desto leichter fiel es Tory, ihre Fassung wiederzuerlangen. Zwar verkrampfte sich ihr nach wie vor der Magen, aber als sie das Wort ergriff, klang ihre Stimme genauso sanft und genauso unversöhnlich. »Und wie, Mrs. Lavelle, beeinträchtigen mein Geschäft und mein Wohnsitz das Ansehen Ihrer Familie?«
»Ihre Anwesenheit allein wäre schwierig genug zu ertragen gewesen. Aber dieses persönliche Element ist in keiner Weise zu akzeptieren.«
»Sie wollen also, zumindest im Augenblick, meine geschäftliche Verbindung zu ihrer Familie dulden, bitten mich jedoch, Cade nicht mehr auf einer persönlichen Ebene zu treffen? Ist das korrekt?«
»Ja.« Wer war diese kühle
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