Lilien im Sommerwind
Genau wie mit meiner nächsten Ehe und Scheidung. Ehe war schließlich das Einzige, worauf man mich vorbereitet hatte. Allerdings nicht Mamas Auffassung von Ehe. Ich wandelte sie für mich um und erstickte beinahe daran. Und jetzt bin ich sechsundzwanzig und kann nur hier bleiben.«
»Sechsundzwanzig Jahre alt, wunderschön, klug und erfahren genug, um deine Fehler nicht zu wiederholen. Du hast nie darum gebeten, auf der Plantage mitzuarbeiten. Wenn du etwas lernen willst, wenn du arbeiten willst...«
Der nachsichtige Blick, den Faith Cade zuwarf, brachte ihn zum Schweigen. »Du bist wirklich zu gut für uns. Weiß der Himmel, wie du das schaffst. Dafür ist es zu spät, Cade. Ich bin ein Produkt meiner Erziehung und meiner Rebellion dagegen. Ich bin faul, und mir gefällt das. Eines Tages werde ich einen reichen, alten Tattergreis finden und mich von ihm heiraten lassen. Ich werde natürlich gut für ihn sorgen, und sein Geld wird mir durch die Finger rinnen. Vielleicht bin ich ihm sogar treu. Das war ich bei den anderen auch, obwohl es mir nichts eingebracht hat. Und dann bin ich mit etwas Glück irgendwann eine reiche Witwe, und das wird das Beste für mich sein.«
So wie bei Mama, dachte sie bitter.
»Du bist viel mehr, als du denkst, Faith. Viel, viel mehr.«
»Das stimmt nicht, Schätzchen. Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn Hope am Leben geblieben wäre. Aber sie hatte ja noch nicht einmal die Chance zu leben.«
»Daran ist nur der Bastard schuld, der sie umgebracht hat.«
»Glaubst du?«, fragte Faith ruhig. »Ich habe mich oft gefragt, ob sie in jener Nacht wohl zu ihrem Abenteuer mit Tory aufgebrochen wäre, wenn sie sich nicht auch so eingesperrt gefühlt hätte wie ich. Wäre sie aus dem Fenster geklettert, wenn sie am nächsten Morgen hätte tun und lassen können, was sie wollte und mit wem sie es wollte? Ich kannte sie besser als jeder andere in diesem Haus. Das ist so bei Zwillingen. Sie hätte etwas aus sich gemacht, Cade, aber sie hatte nie die Chance dazu. Und als sie starb, starb mit ihr jede Illusion, in diesem Haus würde ein gewisses Gleichgewicht herrschen. Sie liebten sie am meisten, weißt du.«
Faith presste die Lippen zusammen und warf erneut einen Zigarettenstummel über die Brüstung. »Mehr als mich oder dich. Ich kann gar nicht zählen, wie oft sie mich danach angeblickt haben, weil ich genauso aussah wie sie, und wie ich in ihren Augen las, was sie dachten. Warum war nicht ich statt Hope draußen im Sumpf gewesen?«
»Nein.« Cade stand auf. »Das stimmt nicht. Das hat nie jemand gedacht.«
»Doch, ich. Und sie haben es mir vermittelt. Ich war die ständige Erinnerung daran, dass sie tot war. Und das haben sie mir nicht verziehen.«
»Nein.« Er berührte Faiths Gesicht, sah die Frau und das Kind, das sie einmal gewesen war. »Du warst die Erinnerung daran, dass sie gelebt hatte.«
»Aber ich konnte nicht sie sein, Cade.« Tränen schimmerten in ihren Augen. »Unsere Eltern teilten sie auf eine Weise, wie sie sonst nichts miteinander teilten. Aber ihren Verlust konnten sie nicht miteinander teilen.«
»Das stimmt.«
»Also errichtete Papa ihr einen Schrein und suchte Trost im Bett einer anderen Frau. Und Mama wurde immer kälter und härter. Du und ich, wir entwickelten uns einfach so weiter, wie es vorgesehen war. Und jetzt stehen wir hier mitten in der Nacht und nennen nichts unser Eigen. Und es gibt immer noch niemanden, der uns am meisten liebt.«
Es schmerzte, die Worte zu hören und zu wissen, dass sie wahr waren. »Es muss ja nicht so bleiben.«
»Cade, wir sind so.« Faith lehnte sich an ihn und legte den Kopf auf seine Schulter. Er nahm sie in die Arme. »Keiner von uns hat jemals einen anderen so sehr geliebt, dass das Gleichgewicht wiederhergestellt wurde. Vielleicht haben wir Hope sehr geliebt, weil wir auch damals schon gewusst haben, dass sie uns Stabilität verlieh.«
»Wir können nicht ändern, was geschehen ist. Nur was wir jetzt tun, können wir beeinflussen.«
»Darum geht es doch, oder? Ich möchte einfach nichts tun. Ich hasse Tory Bodeen, weil sie hierher zurückgekommen ist. Wegen ihr muss ich wieder an Hope denken, vermisse sie und trauere wieder um sie.«
»Du kannst Tory nicht die Schuld daran geben, Faith.«
»Vielleicht nicht.« Sie schloss die Augen. »Aber irgend- jemandem muss ich doch die Schuld geben.«
12
Die Angelegenheit musste geregelt werden, und zwar so schnell und effizient wie möglich. Geld bewirkte bei
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