Lilien im Sommerwind
Taschentuch vergraben hielt, führte J.R. sie zum Sofa und warf Tory dabei einen flehenden Blick zu.
»Soll ich Kaffee kochen?«
»Ich habe noch ein bisschen Instantpulver.« Sarabeth ließ das Taschentuch sinken und blickte an ihrer Tochter vorbei zur Wand. »Ich wollte nicht einkaufen gehen, weil ich das Haus nicht verlassen wollte, für den Fall, dass Han...«
Schweigend wandte sich Tory ab und ging in die Küche. In der Spüle stapelte sich der Abwasch, und der Herd war schmutzig und verkrustet. Der Linoleumboden klebte unter ihren Füßen.
Als Tory ein Kind gewesen war, war Sarabeth der reinste Putzteufel gewesen und hatte gegen den Schmutz gewütet, als sei er eine Sünde. Während Tory nun Wasser in den Kessel füllte, fragte sie sich, wann ihre Mutter diese nervöse Angewohnheit wohl aufgegeben hatte, wann Armut und Gleichgültigkeit stärker geworden waren als die Illusion, dass sie ein Zuhause schaffen könnte oder dass Gott zu ihr käme, solange nur alles sauber geputzt war.
Aber dann verdrängte sie diese Gedanken und konzentrierte sich nur noch auf die mechanischen Verrichtungen, Wasser zu kochen und einen Löffel Kaffeepulver von der im Glas festgebackenen Masse abzuschlagen.
Die Milch war sauer, und sie fand keinen Zucker. Sie trug zwei Becher der braunen Brühe zurück ins Wohnzimmer. Schon jetzt drehte sich ihr der Magen um.
»Diese Frau hat versucht, meinen Han zu verführen«, sagte Sarabeth gerade. »Sie hat seine Schwächen ausgenutzt. Aber er widerstand ihr. Er hat mir alles darüber erzählt. Ich weiß nicht, wo sie so misshandelt worden ist, wahrscheinlich hat sie sich an irgendeinen Perversen verkauft, aber sie hat behauptet, es sei Han gewesen, um sich dafür zu rächen, dass er sie abgewiesen hat.«
»Schon gut, Sari.« J. R. setzte sich neben sie auf das Sofa und tätschelte ihr die Hand. »Darüber machen wir uns jetzt keine Gedanken, okay? Hast du irgendeine Ahnung, wo Han sein könnte?«
»Nein!«, schrie sie und rückte so heftig von ihm ab, dass sie beinahe den Kaffee verschüttete, den Tory auf den Tisch gestellt hatte. »Glaubst du, ich würde nicht zu ihm gehen, wenn ich es wüsste? Eine Frau gehört zu ihrem Mann. Das habe ich auch den Polizisten gesagt. Ich erwarte ja gar nicht, dass ein Haufen korrupter Polizisten mir glaubt, aber ich habe gedacht, dass wenigstens mein eigenes Fleisch und Blut...«
»Natürlich glaube ich dir.« J. R. drückte ihr sanft einen Becher mit Kaffee in die Hand. »Ich habe nur gedacht, dir sei vielleicht etwas eingefallen, ein Ort, wo er schon früher hingegangen ist, wenn er weg war.«
»Es ist nicht so, als sei er weggelaufen.« Mit zitternden Lippen trank Sarabeth einen Schluck Kaffee. »Er muss nur manchmal mit sich allein sein, um nachzudenken. Männer stehen immer unter einem solchen Druck. Und manchmal muss Han einfach allein sein, um nachdenken und beten zu können. Aber jetzt ist er schon zu lange weg, und ich glaube, es ist ihm etwas zugestoßen.«
Wieder traten ihr Tränen in die Augen. »Es hat ihn sehr belastet, dass diese Frau Lügen über ihn verbreitet und ihn in Schwierigkeiten gebracht hat. Und die Polizei tut jetzt so, als sei er auf der Flucht. Sie verstehen ihn einfach nicht.«
»Hat er den Alkoholentzug gemacht?«
»Ich glaube schon.« Sie schniefte. »Han braucht das gar nicht. Er ist kein Trinker. Nur ab und zu ein Schluck zum Entspannen. Jesus hat schließlich auch Wein getrunken, oder?«
Jesus hat keine Flasche Wild Turkey getrunken und dann Frauen misshandelt, dachte Tory. Aber das würde ihre Mutter nicht verstehen.
»Bei der Arbeit sind sie ständig hinter ihm her und zerren an ihm herum, weil er klüger ist als sie. Und die Hühnerhaltung ist teurer, als wir gedacht haben. Dieser Bastard mit dem Hühnerfutter hat die Preise erhöht, damit er seine Geliebte in Samt und Seide hüllen kann. Han hat mir das erzählt.«
»Liebes, du musst dich der Tatsache stellen, dass Han seine Bewährung verloren hat, weil er einfach abgehauen ist. Er hat das Gesetz gebrochen.«
»Nun, dann ist das Gesetz eben falsch. Was soll ich bloß tun, J.R.? Ich bin außer mir vor Angst. Und alle wollen Geld von mir, und außer dem, was ich für die Eier bekomme, habe ich doch keins! Ich war schon auf der Bank, aber diese verlogenen Diebe haben sich einfach genommen, was auf dem Konto war, und behauptet, Han habe die Ersparnisse abgehoben.«
»Ich kümmere mich u m die Rechnungen.« Das hatte J. R. schon öfter getan. »Darüber
Weitere Kostenlose Bücher