Lilien im Sommerwind
Essbarem suchten. Irgendwo in der Nähe ertönte das heisere, wütende Bellen eines Hundes.
Und doch lag über allem das fröhliche Zwitschern der Vögel.
Tory konzentrierte sich auf dieses Geräusch, und in Gedanken stand sie auf einmal in ihrer Küche. Ihr Kopf ruhte auf Cades Schulter und seine Lippen streiften ihr Haar.
Sie hörte noch nicht einmal, dass ihr Onkel ins Auto stieg und die Fahrertür schloss.
J. R. sagte nichts, aber nach einer halben Meile hielt er an und saß einfach da, die Hände auf dem Lenkrad, den Blick ins Leere gerichtet.
»Ich hätte dich nicht mitnehmen dürfen«, sagte er schließlich. »Ich dachte ... Ich weiß nicht, was ich gedacht habe. Wahrscheinlich habe ich geglaubt, sie würde dich sehen wollen und ihr zwei könntet euch versöhnen - jetzt, wo Han weg ist.«
»Ich gehöre nicht zu ihrem Leben. Sie macht mir immer nur Vorwürfe. Er ist ihr Leben. Sie will es nicht anders.«
»Warum? Um Gottes willen, Tory, warum will sie ein solches Leben führen? Warum will sie mit einem Mann leben, der ihr nie auch nur die kleinste Freude geschenkt hat?«
»Sie liebt ihn.«
»Das ist keine Liebe.« Wütend und angeekelt spie er die Worte aus. »Das ist krank. Du hast doch gehört, wie sie ihn ständig entschuldigt hat, wie sie alles auf andere geschoben hat. Auf die Frau, die er misshandelt hat, auf die Polizei, sogar auf die verdammte Bank!«
»Sie will es glauben. Sie braucht das.« Tory legte J.R. begütigend die Hand auf den Arm. Er war viel wütender als sie selbst. »Du hast getan, was du konntest.«
»Ach was! Ich habe ihr Geld gegeben und sie hier zurückgelassen, in dieser Hütte. Und ich will dir die Wahrheit sagen, Tory - ich danke Gott, dass sie nicht mit mir nach Hause kommen wollte, dass ich diesen Irrsinn nicht in mein Haus tragen muss. Ich schäme mich dafür.« Seine Stimme brach, und er ließ den Kopf auf das Lenkrad sinken.
Tory schnallte sich ab, legte den Kopf auf seinen Arm und strich ihm mit der Hand über den Rücken. »Du brauchst dich nicht zu schämen, Onkel Jimmy. Es ist keine Schande, dass du dein Haus und Tante Boots da heraushalten willst. Ich hätte tun können, um was sie mich gebeten hat. Ich hätte es ihr sagen können. Aber ich wollte nicht, und ich schäme mich nicht dafür.«
Er nickte und richtete sich langsam wieder auf. »Wir sind schon eine tolle Familie, was, Kleines?« Vorsichtig strich er mit den Fingerspitzen über die geschwollene Stelle auf ihrer Wange. Dann legte er den ersten Gang ein und fuhr an. »Tory, wenn es dir nichts ausmacht, möchte ich im Moment lieber nicht bei deiner Großmutter vorbeifahren.«
»Ich auch nicht. Lass uns einfach nach Hause fahren.«
Nachdem ihr Onkel sie zu Hause abgesetzt hatte, ging Tory gar nicht erst hinein, sondern direkt zu ihrem Auto und fuhr zu ihrem Laden. Sie hatte einige Stunden aufzuholen und war dankbar für die Arbeit, weil sie sie davon abhielt, über die Ereignisse des Morgens nachzudenken.
Als Erstes rief sie den Blumenhändler an, damit er den Ficus und die Blumensträuße lieferte, die sie vor einer Woche bestellt hatte. Der nächste Anruf galt dem Bäcker, denn sie wollte die Plätzchen und Petits Fours, die sie ausgesucht hatte, am nächsten Morgen gleich abholen.
Es war schon spät, als Tory sich zufrieden vergewisserte, dass die Arrangements im Schaufenster gut gelungen waren. Um dem Ganzen einen feierlichen Anstrich zu geben, schlang sie eine Lichterkette um den Ficus.
Als die Türglocke ertönte, fiel ihr ein, dass sie vergessen hatte, die Tür nach der letzten Lieferung abzuschließen.
»Ich kam gerade vorbei und habe dich gesehen.« Dwight blickte sich um und pfiff anerkennend durch die Zähne. »Ich wollte mich nur rasch vergewissern, ob alles in Ordnung ist und ob du noch Hilfe brauchst. Aber es sieht so aus, als hättest du alles unter Kontrolle.«
»Ich glaube schon.« Tory richtete sich auf, wobei sie das eine Ende der Lichterkette immer noch in der Hand hielt. »Deine Leute haben großartige Arbeit geleistet, Dwight. Ich bin vollauf zufrieden.«
»Sorge einfach dafür, dass der Name Frazier fällt, wenn sich jemand lobend über die Schreinerarbeiten äußert.«
»Darauf kannst du dich verlassen.«
»Oh, das ist aber eine hübsche Arbeit.« Er trat zu einem Schneidbrett, das aus schmalen Streifen verschiedener Hölzer bestand und ganz glatt geschmirgelt war. »Wunderschön. Ich arbeite in meinem Hobbyraum auch ein bisschen mit Holz, aber natürlich mache ich
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