Lilien im Sommerwind
amüsierte Boots. Wenn sie sich nicht täuschte, war Faith eingeschüchtert. »Nicht? Sie gehen doch immer wieder zu ihm, oder? Fragen Sie sich jemals, warum?«, sagte sie und hob einen Finger. »Vielleicht sollten Sie einmal darüber nachdenken. Sie sollen wissen, dass ich Sie immer gemocht habe und auch jetzt noch mag. Überrascht Sie das?«
Es verblüffte Faith. »Ja. Vermutlich.«
»Das sollte es aber nicht. Sie sind eine kluge junge Frau und haben es nicht so leicht gehabt, wie manche Leute meinen. Aber wenn Sie meinem Wade dieses Mal wehtun, dann breche ich Ihnen Ihren hübschen kleinen Hals. Verstanden?«
»Nun.« Faith kniff die Augen zusammen und biss in ihr Plätzchen. »Das klärt ja wohl alles.«
Plötzlich war Boots' Gesicht wieder weich und ihre Augen blickten mild und verträumt wie immer. Sie lachte trillernd auf, und zu Faiths Überraschung schloss Boots sie in die Arme und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
»Ich mag Sie wirklich.« Mit dem Daumen wischte sie den Abdruck ihres Lippenstifts fort. »Und jetzt setzen Sie sich einen Moment und essen Sie Ihr Plätzchen, bis es Ihnen wieder besser geht. Ich glaube, ich kaufe jetzt noch etwas. Es geht doch nichts über Einkaufen, oder?«, fügte sie hinzu, während sie hinausschlüpfte.
»Du meine Güte.« Sprachlos setzte sich Faith und aß gehorsam ihren Keks.
Tory war ständig beschäftigt. Trotzdem sah sie, dass Faith zehn Minuten später hinausging, und sie sah auch Cade hereinkommen, seine Tante Rosie im Schlepptau.
Es war unmöglich, Rosie Sikes LaRue Decater Smith nicht zu erkennen. Mit ihren vierundsechzig Jahren war sie immer noch genauso eine Aufsehen erregende Erscheinung wie auf ihrem Debütantinnenball. Damals hatte sie die Gesellschaft schockiert, indem sie barfuß auf dem Tennisrasenplatz des Country Clubs einen Jitterbug getanzt hatte. Mit siebzehn hatte sie Henry LaRue von den LaRues aus Savannah geheiratet und ihn noch vor dem ersten Hochzeitstag in Korea verloren. Sechs Monate lang hatte sie getrauert und dann beschlossen, die lustige Witwe zu spielen. Sie hatte eine heiße Affäre mit einem hungerleidenden Künstler angefangen, der unter dem Verdacht stand, Kommunist zu sein, und ihn dann mit zwanzig geheiratet. Sie und der Künstler vertraten beide die freie Liebe und feierten auf ihrem Landsitz auf Jekyll Island Orgien - zumindest dachten das viele Leute.
Nach neunzehn aufregenden Jahren begrub sie Ehemann Nummer zwei. Er war aus einem Fenster im dritten Stock gestürzt, nachdem er den Abend mit einer Flasche Napoleon Brandy und einer Dreiundzwanzigjährigen verbracht hatte.
Manche Leute behaupteten, Rosie habe nachgeholfen, aber es konnte nichts bewiesen werden.
Im reifen Alter von achtundvierzig heiratete sie einen ihrer treuesten Verehrer, mehr aus Mitleid als aus Liebe. Er wurde zwei Jahre später während ihrer zweiten Hochzeitsreise nach Afrika von einem Löwen angefallen und zerfleischt.
Es beeinträchtigte Rosies Stil nicht im Geringsten, dass sie drei Ehemänner und unzählige Liebhaber hinter sich gebracht hatte. Sie trug eine platinblonde Perücke, ein bodenlanges, rot-weiß gestreiftes Kleid und so viel Schmuck, dass eine weniger kräftige Frau darunter zusammengebrochen wäre.
Zwischen Plastikperlen erblickte Tory echte Diamanten.
»Spielzeug!«, sagte Rosie mit ihrer quietschenden Stimme zu Cade und rieb sich die Hände. »Bleib bei mir, Junge. Ich bin in Einkaufsstimmung.«
Sie trat zu dem Schaukasten mit den mundgeblasenen Glas-Paperweights und begann, sie in ihren Händen aufzustapeln.
Mit einer Mischung aus Erheiterung und Entsetzen eilte Tory herbei. »Kann ich Ihnen helfen, Miss Rosie?«
»Ich brauche sechs davon. Die sechs hübschesten.«
»Ja, natürlich. Äh, als Geschenke?«
»Von wegen Geschenke! Für mich.« Sorglos stieß sie die Glaskugeln aneinander und brachte damit Torys Herzschlag zum Aussetzen.
»Soll ich sie für Sie auf die Theke legen?«
»Gut. Sie sind schwer.« Rosies Augen wandten sich Tory zu. Ihre falschen Wimpern sahen aus wie Spinnenbeine. »Sie sind das Mädchen, das immer mit der kleinen Hope gespielt hat.«
»Ja, Ma'am.«
»Ich habe eine Frage an Sie. Ich habe mir einmal von einer Zigeunerin aus der Hand lesen lassen. Sie sagte, ich würde vier Ehemänner haben, aber ich will verdammt sein, wenn ich noch einen möchte.« Rosie streckte ihre beringte Hand aus. »Was sagen Sie?«
»Es tut mir Leid.« Statt verlegen zu werden, amüsierte Tory sich köstlich. »Ich lese
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