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Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Tochter mit Ihnen mitkommen muss!«
    Frau Fassbinder steckte die Tüte mit einem schwer zu deutenden Gesichtsausdruck ein. »Wenn man in der Wohnung eines Toten ihre Fingerabdrücke und weitere eindeutige Hinterlassenschaften findet und kurz darauf ihr Portemonnaie bei der Leiche, dann reicht das mindestens für eine Vernehmung. Ihre Tochter ist in zwei Stunden wieder zu Hause. Aber wir brauchen ihre Aussage.«
    »Tot«, flüsterte Sabrina, und sie sah sich durchs Schiff gehen, die Klinke zu dem verbotenen Zimmer berühren, den Tisch, die Wand, die Tasse … Wie in Zeitlupe liefen die Bilder vor ihr ab. »Wer ist denn tot?«
    »Sie haben zuletzt mit meinem Kollegen über ihn gesprochen. Es ist der Herr, der seit einiger Zeit vermisst wird. Wir haben ihn am Alten Krahnen gefunden.«
    »Kilian?«, flüsterte sie. Ihre Kehle musste ein Reibeisen sein, so rau klang ihre Stimme.
    Frau Fassbinder musterte sie mit einem rätselhaften Blick. »Nein. Herbert Wennigstedt.«
     
    Natürlich kam Franziska mit. Michael versprach, so lange das Haus zu hüten, bis beide wieder unversehrt zurück wären. Die Fahrt im Auto verlief schweigend. Aber Sabrina konnte es geradezu hinter der Stirn ihrer Mutter rumoren hören. Natürlich zerbrach die sich jetzt den Kopf darüber, wie das Portemonnaie ihrer Tochter direkt neben einem Toten landen konnte.
    Ich war nicht am Alten Krahnen, dachte Sabrina. Ich bin daran vorbeigelaufen zu den Krippen. Ich habe unter der Silberweide gestanden und mich daran erinnert, dass da im Sommer etwas gewesen war. Aber das ist auch schon so lange her. Und jetzt ist Berti tot. Berti. Wie Wanda das wohl aufnehmen wird. Sie hat so etwas geahnt, sonst hätte sie mir doch nicht den Schlüssel zu seiner Wohnung gegeben.
    Der Schlüssel. Mein Gott, wenn sie eine Hausdurchsuchung
starteten und ihn bei ihr fanden? Sie hatte bis jetzt keine Zeit gehabt, ihn wieder zurückzugeben. Machte sie das verdächtig? Als sie die Uferstraße nach Neuwied entlangfuhren, konnte Sabrina auf der anderen Rheinseite Lichter erkennen, rote und blaue. Polizei und Feuerwehr. Also war da drüben tatsächlich etwas passiert. Die letzten Minuten waren wie in Trance an ihr vorübergezogen, doch beim Anblick dieser gar nicht weihnachtlichen Beleuchtung war es ihr, als ob sie langsam aus einem bösen Traum aufwachen würde. Die Wirklichkeit allerdings sah auch nicht gerade besser aus.
    In Frau Fassbinders Büro bekam sie einen heißen Tee. Es war merkwürdig, dieses Haus so dunkel, leer und verlassen zu sehen. Alle waren natürlich zu Hause bei ihren Familien. Nur die nicht, die sich jetzt um einen Toten kümmern mussten.
    »Was ist denn passiert mit Herrn Wennigstedt?«, fragte Sabrina.
    Frau Fassbinder hatte gerade ihren Computer hochgefahren. Die beiden Beamten saßen hinter ihnen an der Tür. »Das wollte ich eigentlich von Ihnen erfahren.«
    Es klopfte. Ohne eine Antwort abzuwarten, kam Herr Tuch herein. Er sah aus, als hätte man ihn gerade von einem gemütlichen Wirtshaustisch weggeholt. Die Krawatte gelockert, die Wangen gerötet, versuchte er etwas umständlich, seine Anzugsjacke zuzuknöpfen. Sabrina erkannte auf seinem gelben Pullunder einen Fleck, der verdächtig nach Rotwein aussah.
    »Frau Doberstein!« Freundlich kam er auf sie zu und gab ihr die Hand. »Und Sie sind bestimmt die Mutter. Oder die Schwester? Wie auch immer …« Er brach seine plötzliche Charmeattacke ab und ließ sich auf den letzten freien Stuhl plumpsen.
    Franziska hob nur leicht die Augenbrauen. Es war das einzige Zeichen von Missbilligung, das sie sich in dieser Situation erlauben würde.
    Frau Fassbinder hatte nun alles mit ihrem Computer im Griff, zog Papier und Bleistift heran und sah Sabrina aufmunternd
an. »Also. Fassen wir einmal zusammen. Herbert Wennigstedt wurde heute Abend am Alten Krahnen tot aufgefunden. Wir ermitteln noch, ob es sich um ein Gewaltverbrechen handelt. Im Moment sieht es danach aus, als wäre er am Ufer gestolpert und zwischen die Eisschollen gerutscht.«
    »Wer hat ihn gefunden?«, fragte Sabrina, doch Frau Fassbinder ging gar nicht auf diese Frage ein.
    »Er hat zwei Tage tot im Rhein gelegen. Vom Uferweg aus nicht zu sehen. Es war reiner Zufall, dass die Leiche entdeckt wurde. In seiner Jackentasche fanden wir das.« Sie hob die Plastiktüte mit Sabrinas Portemonnaie hoch. Dabei ließ sie sich nicht das kleinste Wimpernzucken ihrer Verdächtigen entgehen. »Wir wären schlechte Polizisten, wenn wir da nicht wenigstens

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