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Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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seiner Enkelin. Sie geht jetzt in meine Klasse.«
    »Aha.« Franziska wurde freundlicher. Offenbar war sie erleichtert, dass Sabrina langsam wieder die Fühler in Richtung
Außenwelt ausstreckte. »Aber morgen dann. Ich bitte dich. Sonst wächst mir das alles über den Kopf.«
    »Morgen ist Freitag.«
    »Das weiß ich.« Franziskas Stimme klang schon wieder leicht gereizt.
    »Da bin ich mit Lukas verabredet.«
    Ihre Mutter holte tief Luft und stieß dann einen ärgerlichen Seufzer aus.
    »Ich kann ihm auch absagen.«
    »Nein. Schon gut. Zwei Stunden, hast du gesagt? Dann komm aber pünktlich zurück. Wir müssen zeitig fertig werden, ich bin am Abend nicht da.«
    Sabrina schloss die Tür des Geschirrspülers. »Was Besonderes?«, fragte sie und versuchte, nicht zu neugierig zu klingen. Wenn Franziska vorhatte, wieder einen zaghaften Schritt in Richtung Liebesleben zu tun, dann wäre jetzt die Gelegenheit, es ausnahmsweise einmal vorher anzukündigen.
    Aber ihre Mutter tippte nur eine neue Zahlenkolonne in den Tischrechner. »Die Winzergenossenschaft. Eine außerordentliche Sitzung.«
    »Was ist los?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Franziska. »Wahrscheinlich geht es um die Prädikate, keine Ahnung.«
    Etwas in ihrer Stimme verriet Sabrina, dass ihre Mutter nur die halbe Wahrheit sagte. Doch sie war froh, dass Franziskas schlechte Stimmung nicht nur damit zu tun hatte, dass ihre Tochter ständig die Lese schwänzte.
    »Ich bin um fünf wieder zurück. Versprochen.«
    Doch das Versprechen geriet schneller ins Wanken, als Sabrina gedacht hatte.
     
    Am nächsten Tag im Physikunterricht steckte ihr Sebastian, ihr Tischnachbar, einen Zettel zu. Dabei wurde er puterrot und flüsterte: »Ist nicht von mir.«
    Was dachte er sich eigentlich? Dass sie ihn fressen würde, wenn er auch nur ein Wort mit ihr wechselte? Sie faltete das
Papier auseinander und las: Ich muss dich sprechen. Nach der Schule.
    Sabrina hob den Kopf und sah sich um. Fast alle verfolgten mehr oder weniger interessiert die Ausführungen des Klassenlehrers zur Relativitätstheorie. Nur Beate drei Bänke weiter zwinkerte ihr verschwörerisch zu. Sabrina hob die Schultern und verzog den Mund zu einem bedauernden Lächeln. Ich kann nicht, sollte das heißen, doch als die Stunde endlich zu Ende war und alle aus dem Klassenraum stürmten, stellte sich Beate ihr in den Weg.
    »Kommst du mit zur Rheinkrone? Die haben einen richtig guten Mittagstisch.«
    »Ich kann nicht«, antwortete Sabrina. »Ich muss bei der Lese helfen.«
    »Ich weiß vielleicht was.«
    Sabrina sah sich um. Alle anderen waren schon weg, sie hörte ihre Schritte und Rufe im Flur leiser werden.
    »Was?«
    »Nicht hier. Meinem Opa ist noch was eingefallen. Gestern beim Abendessen, als er mir alles über den wahren Grund deines Besuchs verraten hat. Komm mit, dann sag ich’s dir.«
    Sabrina sah verzweifelt auf ihre Armbanduhr. Wenn sie den Bus verpasste, würde sie Lukas in Andernach verfehlen. »Ich habe wirklich keine Zeit. Morgen vielleicht? Komm doch zu uns in den Weinberg. Wenn du magst, kannst du mithelfen.«
    »Echt?«
    »’ne dritte Einladung kriegst du nicht.«
    Ein überraschtes Lächeln stahl sich in Beates blasses Gesicht. Offenbar wusste sie nicht, was da auf sie zukommen würde. »Ich hab das aber noch nie gemacht.«
    Umso besser. »Kein Problem. Wir können jede Hand gebrauchen, egal, wie ungeschickt sie ist.«
    »Dann … bis morgen.«
    Beate kehrte zu ihrem Tisch zurück und packte ihre Bücher ein. Sabrina hatte plötzlich einen Hauch von schlechtem Gewissen,
weil sie sie belogen hatte, und lief doppelt so schnell zum Bus wie sonst. Sie erwischte ihn gerade noch, bevor sich die Türen schlossen und er sich langsam in den Wochenendverkehr Richtung Rheinbrücke einfädelte. Eine halbe Stunde später stieg sie am Alten Krahnen aus und machte sich auf den Weg zum Marktplatz. Lukas wollte sie bei Luigi treffen. Ganz recht war das Sabrina nicht. Noch immer regte sich in ihr ein leiser Groll, wenn sie an den Chef des Eiscafés dachte und daran, dass er nicht auf Amelies Beerdigung gewesen war.
    Wieder standen die bunten Stände auf dem Kopfsteinpflaster. Es gab keine Aprikosen mehr, dafür pralle Trauben, gewaltige Kürbisse und leuchtend gelbe Quitten. Langsam schlenderte Sabrina vorüber. Woran Kilian wohl damals gedacht hatte? Und ob sie jemals aufhören würde, sich darüber Gedanken zu machen? Jemand legte von hinten eine Hand auf ihre Schulter. Erschrocken drehte sie sich

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