Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
Vom Netzwerk:
Portemonnaie aus ihrer Umhängetasche und zog einen Fünfzig-Euro-Schein
hervor. Ihr Taschengeld bis zum Monatsende. »Stimmt so.«
    »Die Firma dankt.«
    Ohne eine Miene zu verziehen, versenkte der Wirt den Schein mit den Zetteln in der Schublade.
    »Danke, Mädchen«, sagte Willy.
    »Bitte. Ich heiße übrigens Sabrina.«
     
    Wennigstedt. Sabrina fand den Namen genau über Bogner. Sabrina ließ es ziemlich lange klingeln, aber niemand öffnete. Sie trat zurück auf den Bürgersteig und schaute die graue Fassade hoch. Aus Wandas Wohnzimmer flimmerte das bläuliche Licht des Fernsehers. Die Wohnung einen Stock höher war dunkel. Sie versuchte es noch mehrmals, aber nichts rührte sich. Resigniert wollte sie sich wieder auf den Rückweg machen, hielt dann aber inne. Wenn sie schon hier war, konnte sie auch kurz nach Amelies Mutter sehen. Vielleicht brauchte sie etwas. Willy schien sich in einer nicht sehr fürsorglichen Phase zu befinden.
    Sie klingelte und wartete. Endlich hörte sie Wandas helle, warme Stimme.
    »Ich bin’s, Sabrina.«
    Sofort brummte der Türöffner. Sabrina eilte nach oben und fand Wanda auf halbem Weg im Flur, wo sie sich schnaufend am Rahmen der Wohnzimmertür abstützte.
    »Wanda! Ist alles okay?«
    »Geht schon, Sabrina, geht schon.«
    Wanda winkte ab und schaffte die wenigen Schritte zum Fernsehsessel mit einem unterdrückten Stöhnen.
    Sabrina griff ihr unter die Arme und half ihr beim Setzen. »Soll ich einen Arzt rufen?«
    Wanda lächelte. »Ach nein, es ist nichts. Wirklich nicht. Was führt dich her? Reinhold war hier und hat das Zimmer gemacht. Jetzt ist die Wohnung viel zu groß für uns.«
    Sabrinas Blick fiel durch den Flur hinüber zu Amelies Zimmer. Reinhold, der Soldat, hatte ganze Arbeit geleistet. Es war
leer. Die Wände waren weiß gestrichen. Nichts erinnerte mehr an das Chaos, die bunten Kleider, die schrillen Poster … Es war, als ob Amelie nie hier gewesen wäre. Es tat weh, den Raum zu sehen und diesen radikalen Abschied zu akzeptieren.
    »Ich bin hier wegen Herbert Wennigstedt. Der wohnt doch über euch, oder?«
    Erstaunt riss Wanda die Augen auf. »Berti? Was ist denn mit ihm?«
    »Er war schon ein paar Tage nicht mehr in der ›Sonne‹. Willy macht sich Sorgen.« Das war eine so große Lüge, dass sogar Wanda nicht auf sie hereinfiel. Dennoch fuhr Sabrina fort. »Ich wollte einfach mal nach ihm sehen. Und ihn was fragen. Er weiß vielleicht etwas über die Sache mit Amelie.«
    »Ach so. Was denn?«
    »Über ein Schiff im Naturschutzgebiet. Und über ein anderes, das vor acht Jahren am toten Fluss gelegen hat. Es geht um schwarze Liegeplätze und Kähne, die einfach so verschwinden.«
    »Mein Gott.« Wanda schüttelte den Kopf. »Ich wusste es. Die Werth hat uns allen nur Unglück gebracht. Berti war danach nie mehr der Alte. Und Willy hat seine Arbeit verloren. Sie haben es verschwiegen, damals. Es sollte nicht an die große Glocke gehängt werden. Also hat man Willy angeboten, selbst zu kündigen. Das war der Anfang vom Ende … Sabrina, bitte, lass die Finger davon!« Sie schnaufte, aber das kam von einer Aufregung, die Sabrina so noch nie bei Wanda gesehen hatte. Sie suchte ein Taschentuch, und als sie es endlich in der Ritze ihres Sessels gefunden hatte, tupfte sie sich damit die Wangen und den Hals ab.
    Sabrina hatte ein schlechtes Gewissen, denn nichts lag ihr ferner, als die wohlgehüteten und fast vergessenen Bognerschen Familiengeheimnisse ans Licht zu zerren. »Ich wollte doch nur …«
    »Nein!« Wanda schrie beinahe. »Willy hat damit nichts zu tun!«

    »Aber ich -«
    »Und Berti auch nicht, hörst du? Geh, Sabrina. Geh und lass die Vergangenheit ruhen.«
    Ohne Wanda aus den Augen zu lassen, tastete Sabrina sich zurück zur Tür. »Ich muss mit Berti reden.«
    »Hör auf damit, Sabrina. Bitte bitte hör auf.« Wanda weinte. Sabrina brach fast das Herz, als sie Amelies Mutter so sah. Sie schluchzte in ihr Taschentuch und die folgenden Worte waren kaum noch zu verstehen. »Er ist nicht da. Ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen.«
    Das hatte nichts zu bedeuten. Wanda war nicht sehr auf dem Laufenden, was die Außenwelt betraf.
    »Schon seit Tagen nicht mehr … Seit sie sich geprügelt haben. Willy und Berti. Letzte Woche sind sie aneinandergeraten. Ich weiß nicht, warum. Willy sagt mir nichts. Aber Amelies Name ist gefallen, und Willy war wütend, so wütend, wie ich ihn noch nie gesehen habe … Berti war schon lange nicht mehr unten bei uns. Er

Weitere Kostenlose Bücher