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Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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einigermaßen unter Kontrolle. Er trug einen blassgelben Pullover und bequeme Schuhe mit Gummisohlen. Sabrina schätze ihn auf Mitte sechzig, also kurz vor der Pensionierung. Er sah so gemütlich und freundlich aus, dass sie bei seinem Anblick sofort alle Hoffnung verlor. Jemand wie er würde nicht aufspringen und sofort alles in die Wege leiten, was es zu leiten gab.
    »Mein Name ist Jochen Tuch. Wie das Tischtuch. Ich bin Kriminalhauptkommissar, also bei mir sind Sie schon an der richtigen Adresse. Im Prinzip. Den Fall selbst betreut natürlich Frau Fassbinder. Aber die ist in Urlaub.«
    Sabrina biss sich auf die Unterlippe. Sie konnte nicht verstehen, wie jemand einfach so Richtung Sonne und Strand düste, während Verbrechen nicht aufgeklärt und Spuren langsam kalt wurden.
    Herr Tuch musste ihrem Gesicht ansehen, was sie dachte. Er lächelte sie gütig an. »Sie waren schon einmal hier. Aber wie
beim letzten Mal können wir Ihnen auch heute keine andere Auskunft geben. Wir haben keine Spur.« Er hob bedauernd die Schultern. Für einen Sekundenbruchteil flitzte sein Blick über die Tür. Sabrina wusste, dass dort eine große Uhr hing. Wahrscheinlich kostete sie ihn gerade seine Mittagspause.
    »Aber Lukas … Ich meine, Herr Kreutzfelder hat doch angerufen und gesagt, dass Herr Wennigstedt vermisst wird? Also, dass wir ihn vermissen.«
    »Wer ist das?«
    Sabrina holte tief Luft. Offenbar wusste hier der eine nicht, was der andere tat. »Lukas Kreutzfelder ist ein Freund von mir. Und Herbert Wennigstedt ist der Mann, der vor acht Jahren die Leiche von Liliane S. am toten Fluss gefunden hat. Er hat mir gegenüber vor einiger Zeit eine Andeutung gemacht, und als ich ihn nochmal fragen wollte, war er verschwunden. Seine Nachbarn haben ihn seit Tagen nicht gesehen und seine Freunde auch nicht.«
    Herr Tuch zog eine Handakte zu sich heran und blätterte darin herum. »Davon weiß ich nichts. An wen hat sich Ihr Bekannter denn gewandt?«
    »An Frau Fassbinder.«
    »Die ist schon seit zwei Wochen weg. Mit ihr kann er also nicht gesprochen haben. Aber einen Moment.«
    Der Kommissar griff zum Telefon und wählte eine dreistellige Nummer im Haus. Offenbar hatte er die richtige Stelle am Apparat, aber auch dort war kein Herbert Wennigstedt als vermisst gemeldet worden.
    »Was bringt Sie denn zu der Annahme, dass Herr Wennigstedt nicht einfach auch in Urlaub gefahren ist?«, fragte Herr Tuch, nachdem er aufgelegt hatte.
    »Er kann sich das nicht leisten. Er ist seit Jahren arbeitslos. Er ist oft an der Werth zum Fischen. Ich … Ich war in seiner Wohnung. Eine Angel fehlt. Aber die Box mit den Ködern …« Sabrina brach ab, weil die Erinnerung an den Fliegenschwarm und die Maden immer noch einen leichten Würgereiz in ihr auslösten.

    Ihr Gegenüber musterte sie mit einer Mischung aus Geduld und Glauben, beides etwas bemüht, aber immerhin. »Wir können ja mal einen Wagen vorbeischicken.«
    Herr Tuch notierte sich die Adresse. Dann sah er hoch und schaute sie etwas verwundert an, weil sie immer noch sitzen blieb.
    »Ich glaube, ich weiß, wann er das letzte Mal beim Angeln war.« Plötzlich war es ihr eingefallen. Und mit einem Mal bekam die Sache eine ganz neue Brisanz. »Vor sechs Tagen. Ich habe mit dem Fernrohr von der Edmundshütte aus gesehen, dass jemand auf der Werth war. Am Abend, als eigentlich gar keiner mehr da sein durfte.«
    »Vielleicht war es ein Aufseher? Dieser … Ranger?« Er blätterte wieder in der Akte.
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich würde mir auch die Aussage von Herrn Schraudt noch einmal ansehen. Er hat gesagt, dass am Tag von Amelies Tod ein Sportboot in den Seitenarm gefahren ist. Es war aber kein Sportboot. Es war …«
    »Dieser Kilian«, unterbrach sie Herr Tuch. »Sie haben ja eine schöne Zeichnung von ihm anfertigen lassen. Wie gesagt, ich bin mit dem Vorgang vertraut. Aber wir haben von Interpol keine Meldung bekommen, dass ein Schiff mit Namen …« Er beugte sich über das Papier.
    »Sehnsucht«, flüsterte Sabrina und hoffte inständig, Herr Tuch würde sich jeden Kommentar zu diesem Namen sparen.
    »… Désirée, ja, irgendwo gemeldet ist. Vielleicht hat er falsche Papiere. Frau Fassbinder fragt sich sogar, ob dieser junge Mann überhaupt existiert.« Plötzlich wurden Herrn Tuchs Augen hellwach. Sein Blick schien sie durchbohren zu wollen.
    »Er existiert«, antwortete Sabrina eisig. »Und Herbert Wennigstedt ist weg. Und der Ranger lügt. Er sagt, er hätte in dieser

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