Lilientraeume
dort aufgetaucht.«
Seufzend nahm Ry seine Baseballkappe ab und raufte sich das Haar. »In Ordnung, sprich mit deiner toten Freundin, aber mach zu. Du könntest mich etwas versöhnlicher stimmen, falls du mir noch mehr von diesen Keksen organisieren würdest.«
»Die hat mir Hope gebracht. Frag sie«, sagte er unwirsch und beobachtete, wie sein Bruder leise schimpfend den Raum verließ.
Ein paar Minuten später schaltete er den Laptop aus und ging in den ersten Stock hinauf. Seine Recherchen hatten ergeben, dass die Sterberegister von Boonsboro für den fraglichen Zeitraum etwa ein halbes Dutzend junger Frauen verzeichneten. Und Eliza Ford war eine von ihnen. Als er ihren Namen las, stand für Owen sofort nahezu außer Frage, dass es sich nur um sie handeln konnte.
Oben angekommen, fiel ihm ein, dass er den Schlüssel für das von Elizabeth beanspruchte Zimmer, das derzeit nicht vermietet war, vergessen hatte. Er wollte schon kehrtmachen, als die Tür einladend aufschwang.
»Okay. Das soll wohl heißen, dass ich willkommen bin.« Geißblattduft umfing ihn, als er eintrat. Dann fiel die Tür mit einem leisen Klicken hinter ihm ins Schloss, und er zuckte leicht zusammen.
»Also«, sagte er. »Du hast inzwischen zweifellos gemerkt, dass das Hotel eröffnet wurde und auch in diesem Zimmer bereits Gäste waren, die sich hier wohlfühlten. Es scheint dich nicht zu stören, und das ist gut. Wir haben zwar noch viel Arbeit, aber trotzdem hab ich ein bisschen recherchiert. Um herauszufinden, wer du bist. Denn wir können erst nach Billy suchen, wenn wir mehr über dich wissen. Ist dein Name Eliza?«
Das Licht fing an zu flackern, und obwohl er das bereits kannte, sträubten sich unwillkürlich seine Nackenhaare. »Bist du Eliza Ford?«
Erst sah er nur eine verschwommene Silhouette, dann deutlich eine junge Frau, die knickste und ihn freundlich anlächelte.
»Dachte ich’s mir doch! Eliza.«
Sie griff sich mit einer Hand ans Herz, und er hätte schwören können, dass sie leise Lizzy sagte.
»Lizzy war dein Kosename, nicht wahr?«
Jetzt hörte er ein leises »Billy« .
»Billy hat dich so genannt. Was für ein Billy?«
Sie griff sich beidhändig ans Herz und schloss unglücklich die Augen.
»Du hast ihn geliebt – so viel ist klar. Lebte er hier in Boonsboro, oder stammte er aus der Gegend? Hast du ihn besucht? Hielt er deine Hand, als du starbst, oder war er da vielleicht selbst schon tot?«
Schockiert riss sie die Augen auf, und Owen merkte, dass er etwas Falsches gesagt hatte. Aber was? Wusste sie nicht, dass sie und Billy nicht mehr am Leben waren? Durchaus möglich, wenn man Hinweisen in Büchern glaubte, die sich mit Geistererscheinungen beschäftigten. »Ich meine, hast du ihn hier getroffen? In diesem Haus?«
Ihre Gestalt verblasste, und nach einem Augenblick schwang die Balkontür auf und fiel krachend wieder zu.
»Okay, jetzt muss ich erst mal nachdenken. Bis später«, sagte er und wandte sich zum Gehen.
»Das hast du wirklich gut hingekriegt, Owen Montgomery«, murmelte er auf dem Weg zurück ins Erdgeschoss. »Wirklich ungeheuer taktvoll. Na, Lizzy, wie ist es, tot zu sein? Verdammt.«
Er brachte seinen Laptop nach draußen in seinen Pick-up und griff stattdessen sein Werkzeug, um im Nachbarhaus für seinen wenig einfühlsamen Umgang mit der toten jungen Frau zu büßen, indem er bis zur Erschöpfung den Hammer schwang.
»Das ist wirklich traurig.« Avery kippte die Marinade, die sie schon am Morgen vorbereitet hatte, über ihre Thunfischsteaks. »Sie war also erst achtzehn Jahre alt. Ich weiß, die Menschen wurden damals nicht so alt wie heute, und die Frauen haben deutlich eher geheiratet und Kinder zur Welt gebracht. Trotzdem. Achtzehn ist echt jung. Und du sagst, dass sie an einem Fieber gestorben ist?«
»Mehr konnte ich bisher nicht herausfinden. Eine kurze Zeitungsnotiz, weiter nichts. Doch jetzt, wo ich den Namen weiß, lässt sich sicher leichter etwas eruieren.«
»Eliza. Welch ein Zufall, dass ausgerechnet ihr Zimmer einer Elizabeth gewidmet ist. Und Lizzy wurde sie offenbar tatsächlich genannt.«
»Das gibt einem das Gefühl, als ob alles Schicksal war. Mom hat den Namen für das Zimmer ausgesucht, und Beckett hat sie deshalb erst Elizabeth und dann Lizzy genannt. Und niemand wusste, dass sie schon lange vor uns das Haus bewohnte.«
»Ich weiß nicht, ob das Schicksal die Hand im Spiel hat – mir ist es irgendwie unheimlich, wenngleich auf eine durchaus positive Art. Ich
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