Lilientraeume
Gott, hab ich etwa so fest zugebissen?«, fragte sie und begutachtete die Wunde. »Nicht schlecht, würde ich sagen.«
»Ach ja?«
»Trotzdem war es deine eigene Schuld.«
»Noch einmal lass ich mich sicher nicht dermaßen übertölpeln.«
»Komm, ich werde die Wunde vorsichtshalber desinfizieren.«
»Später.« Er zog sie an seine Brust und blieb eine Weile still sitzen. Gott sei Dank schien alles wieder ins rechte Lot zu kommen. »Du hast nicht zufällig noch was von dieser Suppe übrig, die dein Dad bekommen hat?«
»Nein, die ist alle, aber ich kann dir Mesquite-Tomaten-Creme anbieten.«
»Klingt lecker, sollten wir uns allerdings für später aufheben.« Er neigte den Kopf zu ihr herunter und suchte ihren Mund.
Sie antwortete, indem sie ihre Lippen über seine Stirn und seine Wangen wandern ließ, und schälte ihn gleichzeitig aus seinem Hemd. Als sie ihren Kopf an seinen Hals legte, stieg ihr ein leichter Geruch nach Sägemehl in die Nase. »Das hat mir gefehlt«, murmelte sie.
Im Grunde hatten sie sich nur ein paar Tage nicht gesehen, doch ihr kam es wie Wochen vor. Zu tief war der Graben gewesen, der sie in dieser Zeit trennte. Und jetzt saß er plötzlich hier, und sie spürte seine Wärme und Stärke, während er ihr mit seinen starken Händen zielstrebig den Pullover über den Kopf zog.
Er war immer für sie da, erkannte sie. Zuverlässig und unerschütterlich. Und bereit, ihren Schmerz zu teilen und ihr zu zeigen, dass sie nicht alleine war mit ihrem Kummer und ihrer Angst. Und er verstand sie, obwohl sie das kaum für möglich gehalten hätte.
Was ihn betraf, so begriff er erstmals, wie verletzlich sie trotz ihres couragierten Auftretens war und welch tief sitzende Selbstzweifel sie plagten. Es war eine ganz neue Seite ihrer Persönlichkeit, die sich ihm in diesen Stunden offenbarte.
Sanft und beruhigend glitten seine Hände über ihren Körper und spürten ihren Rundungen und ihrem gleichmäßigen Herzschlag nach. Ihre Seufzer wärmten seine Seele, und als sie lächelnd sein Gesicht umfasste und ihn zärtlich auf die Lippen küsste, atmete er erleichtert auf. Das war wieder die alte Avery. Sein Mädchen.
Sie streichelte seinen Rücken und seine Hüften, ließ ihre Finger erneut nach oben wandern, als müsse sie sich seiner Größe und Stärke vergewissern. In dem Wunsch zu geben, einfach nur zu geben, schlang sie ihm die Arme fest um den Hals und hörte, dass er fluchte, als sie unsanft seine Wunde berührte.
Sie stieß ein ersticktes Lachen aus, und plötzlich fielen Trauer, Schuldgefühle, Ausreden und Ängste von ihr ab. Er und sie, nur sie beide. Sie schmiegte sich enger an ihn an, knabberte an seiner Schulter, drückte ihn rücklings aufs Bett. »Ich hab dich einfach zum Fressen gern.«
»Willst du es etwa heute auf die harte Tour?«
»Damit hast schließlich du angefangen, als du meintest, mich gewaltsam hier raufschleppen zu müssen. Aber jetzt wollen wir mal sehen, wie dir selbst das gefällt.« Sie packte seine Handgelenke und schob sich auf ihn.
»Fühlt sich bisher sehr gut an.«
Sie neigte ihren Kopf und näherte sich mit ihrem Mund dem seinen, um sich sogleich wieder zurückzuziehen. »Gefällt dir das auch noch?«
»Du suchst anscheinend Streit.«
Erneut neigte sie den Kopf und glitt mit ihrer Zunge über seine Brust. O ja, dachte er, während das Blut heiß und verlangend durch seine Adern schoss. Lockend und spielerisch, erregend und verführerisch nahm sie jeden Zentimeter seines Körpers in Besitz, während sie sich der Reste ihrer Kleidung entledigten. Mit abwechselnd schnellen, harten oder beinahe schmerzlich sanften Küssen brachte sie ihn beinahe um den Verstand. »Owen, Owen, Owen«, wisperte sie ein ums andere Mal berauscht von ihrer Macht und ihrer Lust.
Dann hob sie sich über ihn, um ihn tief in sich aufzunehmen. Er stöhnte und presste eine Hand auf ihr wild klopfendes Herz, während sie ihn zitternd auf den Mund küsste, dabei das Tempo ihrer rhythmischen Bewegungen ständig steigernd, bis ein ungeheures Glücksgefühl sie erfüllte und allen Kummer der letzten Tage vergessen machte.
Später reinigte sie seine Wunde, hüllte sich in ihren Morgenrock und stellte die Suppe auf den Herd. Dann deckte sie liebevoll den Tisch mit Kerzen, während Owen ihnen Rotwein einschenkte. Da inzwischen starker Schneefall eingesetzt hatte, würde er bei ihr übernachten.
Als sie sich hinsetzten, zeigte die Uhr beinahe Mitternacht. Entspannt und zufrieden genossen sie
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