Lilientraeume
bestimmt nicht, dass ihr mich bevorzugt, weil ich eine Freundin der Familie bin. Vielleicht fällt es dir schwer, das zu akzeptieren, Owen – nur anders geht es für mich nicht.«
»Natürlich versteh ich das, auch wenn deine Einstellung es uns nicht immer leicht machen wird. Weißt du, man kann so etwas manchmal nur schwer voneinander trennen.«
»Stimmt, doch wir sollten uns zumindest bemühen.« Sie zog ein Paar Stiefel aus dem Schrank mit hohen, millimeterdünnen Absätzen, wie er sie an ihren Beinen noch nie gesehen hatte. Sie nahm auf der Bank am Fußende des Bettes Platz, stieg in die Stiefel und zog die Reißverschlüsse vorsichtig nach oben.
Owen musste schlucken, so sinnlich sah das aus. »Hm. Tja, nun …« Als sie aufstand, brach er ab. »Wow.«
»Damit meinst du die Stiefel, stimmt’s?« Nachdenklich blickte sie an sich herab. »Hope hat sie mir aufgeschwatzt.«
»Ich liebe Hope«, erklärte er, während sie die Schranktür öffnete und sich im Spiegel auf der Innenseite betrachtete. »So hab ich dich noch nie gesehen.«
»Heute ist der vierundzwanzigste Dezember, und ich muss nicht arbeiten. Wann soll ich so was anziehen, wenn nicht an diesem Tag?«
»Keine Einwände. Du siehst toll damit aus.«
Sie lachte fröhlich und sah ihn aus blitzenden Augen an. »Danke für das Kompliment. Für mich gibt es viel zu selten eine Gelegenheit, schicke Sachen anzuziehen … Aber lassen wir das – es wird Zeit für mich. Allerdings könntest du mir noch helfen, die Geschenke zum Wagen zu schleppen, sonst muss ich mindestens zweimal gehen.«
»Mach ich. Trotzdem würde ich gerne endlich loswerden, was ich dir sagen wollte.«
»Oh, richtig, tut mir leid. Ich dachte, das sei durch meine Beichte geklärt.«
»Nicht ganz.« Er holte eine kleine, bunt verpackte Schachtel aus der Jackentasche und hielt sie ihr hin. »In meiner Familie gibt es diese Tradition, dass man sich bereits am Weihnachtsabend das erste Geschenk überreicht.«
Sie schaute ihn halb skeptisch, halb spöttisch an. »Ist das etwa ein ›Wenn-ich-mich-nicht-mit-ihr-versöhne-schläft-sie-nächste-Woche-vielleicht-nicht-mit-mir‹-Geschenk?«
»Nein, das spar ich mir für morgen auf.«
Sie fing an zu lachen, und er grinste erleichtert.
»Da bin ich aber gespannt.«
Sie nahm das Kästchen in die Hand und schüttelte es leicht, hörte jedoch nichts. »Du hast die Schachtel ausgestopft.«
»Es ist allgemein bekannt, dass du immer schüttelst.«
»Es erhöht die Spannung, erst zu raten. Vielleicht sind es ja Ohrringe, und der Anblick meiner vollen Schublade hat dich deshalb so entsetzt. Keine Sorge, man kann nie genug Ohrringe haben.«
Sie riss Band und Papier von der Schatulle und warf es achtlos fort. Öffnete dann das Kästchen, hob das dicke Wattepolster an und sah zwei Schlüssel
»Für dein zweites Restaurant und deine Bar«, erklärte er.
Avery schaute ihn sprachlos an, ohne einen Ton herauszubringen.
»Ich hab mir deinen Geschäftsplan angesehen und den ganzen Rest. Er ist grundsolide und echt gut. Genau wie du.« Er atmete vernehmlich aus, während sie weiter sprachlos auf die Schlüssel starrte und sich wieder auf die Bank am Fußende des Bettes sinken ließ.
»Ryder war von Anfang an dafür, dir einen Pachtvertrag zu geben. Das kleine rothaarige Energiebündel werde das schon schaffen, meinte er. Und Beck befürwortet den Plan inzwischen ebenfalls, nachdem er alles noch mal baulich geprüft und die Kosten kalkuliert hat. Und meine Mutter? Die ist für jede verrückte Idee zu haben und stand von Anfang an auf deiner Seite. Und was mich betrifft …«
»Ein Nein von dir hätte gereicht, und die anderen würden auch ablehnen«, unterbrach sie ihn.
Er runzelte die Stirn und stopfte seine Hände in die Taschen seiner Jeans. »Moment mal. So laufen die Dinge bei uns nicht.«
»Owen.« Sie saß immer noch mit gesenktem Kopf auf der Bank und schob die Schlüssel in der Schachtel hin und her. »Sie hören auf dich. Vielleicht ist dir das nicht immer klar. Aber in einer so wichtigen Angelegenheit? Wenn es um geschäftliche Belange geht? Sie wissen ganz genau, dass du in dieser Hinsicht den größten Durchblick hast, und das respektieren sie. Genau wie Beck und Ry für ihre speziellen Zuständigkeitsbereiche. Du hast ja keine Ahnung, wie sehr ich deine Familie immer bewundert und beneidet habe. Einfach weil ihr eine derart tolle Truppe seid.«
Jetzt war es an ihm zu schweigen.
»Du hast nicht Nein gesagt?«
»Nein, hab ich nicht.
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