Lilientraeume
sprichst eindeutig mit den falschen Leuten. Jim ist in Pittsburgh bei seiner Mutter, weil Karyn ihn rausgeworfen hat.«
»Was? Warum denn das?«
»Weil sie herausgefunden hat, dass er sie schon seit einer ganzen Weile betrügt. Mit der Mutter eines Jungen, der mit ihrem Ältesten befreundet ist.«
»Jim? Das gibt’s nicht.«
»Hat man gedacht, war aber ein Irrtum. Ist doch krass, oder? Zwei Jahre lang ging das so, und keine Menschenseele hat was geahnt.« Sie legte Speck und Toast zu den Omeletts auf die Teller und reichte Owen einen.
Er schüttelte den Kopf. »Auf mich haben die zwei immer wie ein grundsolides und mustergültiges Ehepaar gewirkt.«
»Ich weiß nicht so recht.« Avery trug ihren eigenen Teller an den Küchentresen und nahm neben Owen Platz. »Karyn war häufig mit den Kindern in der Pizzeria, meist ohne ihn. Kurz vor Weihnachten bin ich ihr außerdem beim Einkaufen begegnet, da wirkte sie absolut genervt und gehetzt und hat mich kaum gegrüßt. Ich dachte, es sei der normale Weihnachtsstress, den man als Mutter von drei Kindern hat, aber es war wohl eher der Slip in ihrem Bett, der ihr nicht gehörte.«
»Grundgütiger, das ist ja wirklich der Gipfel der Geschmacklosigkeit. Und der Dummheit zudem. Wie kann man nur so blöd sein?«
»Nicht auszuschließen, dass die andere es absichtlich gemacht hat. Immerhin lebt sie schon seit geraumer Zeit von ihrem Mann getrennt. Wie dem auch sei, so oder so brachte es für Karyn das Fass zum Überlaufen. Sie hat Jim kurz entschlossen vor die Tür gesetzt und einen Anwalt eingeschaltet.«
»Verständlich. Trotzdem kann ich immer noch nicht glauben, dass Jim sie dermaßen hintergangen haben soll. Wie lange waren die beiden verheiratet? Zehn Jahre?«
»Ungefähr, und seit zwei Jahren lief die Sache mit der anderen. Was darauf hindeutet, dass er keinerlei Interesse zu haben schien, seine Ehe zu retten. Allerdings lag ihm offenbar auch nichts daran, einen Schlussstrich zu ziehen. Vielleicht weil er sich bei der anderen nicht binden wollte. Sonst wäre er überdies kaum zu seiner Mutter nach Pittsburgh gezogen, sondern zu ihr.«
Auf diesen Gedanken wäre Owen gar nicht gekommen. Nachdenklich biss er in seinen mit Butter bestrichenen Toast. »Mit dieser Vermutung könntest du recht haben. Nur wird die Geschichte dadurch noch sinnloser.«
»Er hat seine Ehe ruiniert, seinen Kindern wehgetan, und das für nichts und wieder nichts. Für eine Frau, die ihm nicht wirklich wichtig war. Er hätte es verdient, dass Karyn ihm ordentlich das Fell über die Ohren zieht.«
Owen schwieg eine Weile. »Man weiß nie, was zwischen zwei Menschen oder in einer Familie genau abläuft, wann und warum eine Entfremdung einsetzte, ob tatsächlich nur einer schuld ist oder beide. Mag sein, dass in diesem Fall Jim die Verantwortung trägt, aber in Bausch und Bogen verurteilen mag ich ihn nicht. Dazu weiß ich zu wenig. Er hat mich erst vor zwei Wochen wegen der Renovierung des Badezimmers angerufen. Ich hätte es mir nach den Feiertagen ansehen sollen.«
Sie fuchtelte mit einer Scheibe Speck vor seinem Gesicht herum. »Der hat wirklich geglaubt, er könnte sein Doppelleben einfach so fortsetzen. Allein dafür verdient er eine Abreibung. Unglaublich: Plant für seine Frau ein neues Bad und poppt eine andere in ihrem Bett!« Avery konnte sich gar nicht beruhigen. »Und dann mit so einem Flittchen.«
»Wieso Flittchen?«, warf Owen ein. »Ich dachte, sie sei die Mutter eines Schulfreunds.«
»Sagen die Leute. Jim war wohl nicht der Erste, mit dem sie ihren Mann betrogen hat.«
»Was die Leute so alles wissen wollen. Wer ist die Frau überhaupt?«
»Sie stammt nicht von hier und ist nach der Scheidung nach Sharpsburg gezogen, wo sie für eine Versicherung arbeitet. Sie heißt übrigens Harmony. Sehr unpassend, findest du nicht?«
»Oh.«
»Oh?«
»Ich kenn eine Harmony, die für unseren Versicherungsagenten arbeitet. Das Omelett schmeckt wirklich gut.«
»Aha!«
»Aha?«
»Du wechselst urplötzlich das Thema und rutschst nervös auf deinem Stuhl herum.« Sie bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick. »Beides eindeutige Zeichen, dass dich entweder Schuldgefühle plagen und/oder du mir irgendwas verschweigst. Hattest du mal was mit ihr?«
»Nein, sie ist nicht mein Typ. Sagen wir einfach, dass ich ab und zu wegen der Versicherung mit ihr gesprochen habe. Und dass bei den Gesprächen gewisse Untertöne anklangen.«
»Sag ich doch: Flittchen.« Avery tippte sich an die
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