Lilienzucht (German Edition)
Mylady. Ich darf Ihnen nicht allzu viel darüber verraten, aber ... wir haben ja noch etwas Zeit, vielleicht sollte ich Ihnen noch zwei, drei Dinge erklären, damit Sie nicht gleich in den ersten fünf Minuten schwere Fehler machen...“
„Bist du sicher, dass Victor – äh, der Meister – nichts dagegen hat?“, hakt Josie skeptisch nach.
„Ach was“, winkt Mary ab, „ich meine doch nur Sachen, die man ohnehin auf jeder einschlägigen Internetseite nachlesen kann.“
„Na gut.“, stimmt Josie zögernd zu. „Ich werde heute vermutlich sowieso nicht gerade die Streberin geben...“
Bereits zehn Minuten später meldet Josies Handy das Eintreffen einer SMS, die – aus verständlichen Gründen – Mary entgegennehmen muss. Rasch hat sie sie gelesen und kurz darauf auch schon wieder gelöscht.
„Lord Croydon verlangt, dass ich die Nachricht lösche und das Handy ausmache, Mylady.“, erklärt sie entschuldigend. „Nicht, dass Sie sich nachher wundern.“
Josie nickt nur, sie ist inzwischen so aufgeregt, dass sie keinen Ton mehr heraus bekommt.
„Kommen Sie!“, fordert das Mädchen sie auf und greift nach ihren Händen, um ihr aufzuhelfen.
Behutsam führt sie sie und Josie weiß vor lauter Nervosität schon nach fünf Schritten nicht mehr, wo genau sie sich befindet. Knarrend öffnet das Hausmädchen eine Tür und Josie ist augenblicklich klar, dass es sich nicht um die Zimmertür handeln kann, da von draußen ein sehr viel kälterer Luftzug hereinweht, als das vorhin beim Eintreten der Männer der Fall war. Außerdem riecht es leicht staubig, ja, sogar ein klein wenig modrig, beinahe erinnert es an einen Keller. Josie runzelt die Stirn und denkt angestrengt nach.
„Das ist nicht der Flur...“, überlegt sie laut und Mary kichert leise.
„Nein“, antwortet sie gedämpft. Es hallt eigenartig hier und auch die Schritte hören sich ungewohnt laut an. „Das ist eine direkte Verbindung zum Spielzimmer; wenn Sie so wollen ein Geheimgang.“, erläutert Mary leise. „Das hier ist ein altes Anwesen und einige der alten, sagen wir privaten Gänge sind noch intakt.“
„Oh!“, macht Josie nur. „Aha.“ Langsam fröstelt sie ein wenig und die Feuchtigkeit zwischen ihren Beinen macht sich nun auf eine unangenehm klamme Art bemerkbar.
Nach etlichen Biegungen und Treppenstufen scheinen sie endlich an ihrem Bestimmungsort angekommen zu sein, denn es hallt zwar immer noch, aber anders – vertrauter jetzt. Offenbar klopft Mary an einer schweren Tür an, die schon Sekunden später geöffnet wird.
Erleichtert stellt Josie fest, dass es hier unten wärmer ist, als sie befürchtet hat.
Mary fasst sie nun an den Schultern und führt sie noch ein Stück in den Raum hinein, dann löst sie die Hände von ihr und lässt sie allein dort stehen.
Josie mutmaßt, dass sie beileibe nicht die einzige Person im Raum ist, trotzdem fühlt sie mit einem Mal schrecklich einsam und ausgeliefert. Irgendwie hat sie das Gefühl, sich ein bisschen fester in den Boden stemmen zu müssen, um nicht den Halt zu verlieren und so nimmt sie die Beine ein wenig weiter auseinander. Zögernd verschränkt sie dann die Hände auf dem Rücken und harrt angespannt der Dinge, die da kommen mögen...
22 Marys himmlische Höllenfahrt
Es dauert zwei endlos lange Minuten, bis sie endlich männliche Schritte auf sich zukommen hört und energisch noch ein Stück weiter nach vorn geführt wird.
Verwundert registriert sie, dass sie die Person eindeutig als Jeffrey identifizieren kann. Schon allein der Geruch, der von ihm ausgeht...
Ein wenig unsanft wird sie aus ihren Gedanken gerissen, denn jemand stößt ihr etwas in die Kniekehlen, sodass sie, verzweifelt mit den Armen rudernd, nach vorn auf die Knie fällt. Erschrocken stößt sie einen spitzen Schrei aus ... und landet seltsamerweise überraschend sanft auf einer weich nachfedernden Unterlage.
Keuchend stellt sie sich für einen Moment auf alle Viere und registriert dabei, dass sie auf einer Art flachem Sitzkissen gelandet sein muss. Noch immer den Schreck in den Gliedern, richtet sie sich schließlich wieder auf, während sie sich innerlich selbst Mut zuspricht. Immerhin ist es Victor, der dieses Spiel inszeniert hat; das Kissen unter ihren Knien spricht ihres Erachtens mehr als deutlich dafür.
Recht schnell hat sie sich wieder gefangen, ja, selbst die Aufregung, die sie schon den ganzen Tag geplagt hatte, scheint nun von ihr gewichen zu sein. Ganz allmählich dämmert
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