Lilienzucht (German Edition)
kühl; irgendwie scheint er sich nicht entscheiden zu können, ob er nur verblüfft oder auch beleidigt sein soll.
Josie erspart es sich, darauf Rücksicht zu nehmen und hilft stattdessen Victor behutsam aus dem Sessel.
Victor ist tatsächlich vollkommen erledigt, als sie endlich in seinem Zimmer ankommen und ihn auf seinem Bett absetzen. Seine Sachen sind restlos durchgeschwitzt und nachdem er sich von einem kleinen Hustenanfall erholt hat, versucht er vergeblich, sich das verschwitzte Jackett auszuziehen.
„Lass dir doch helfen.“, meint Josie sanft und wendet sich kurz an den Butler. „Ich weiß, normalerweise trägt er so was nicht, aber jetzt bräuchte er einen sauberen Schlafanzug; besorgen Sie bitte einen.“
„Natürlich, Mylady.“, gibt Jeffrey zurück, diesmal ein wenig freundlicher.
Eilig sucht er einen aus der Kommode heraus.
Es dauert eine halbe Ewigkeit, bis die beiden Victor umgezogen und unter die Bettdecke verfrachtet haben. Mary, die inzwischen mit einer Thermoskanne Kräutertee erschienen ist, gießt ihm eine Tasse ein, die Josie ihm dann vorsichtig in die Hand drückt.
„Das wird zumindest Hals und Bronchien ein bisschen beruhigen.“, meint sie lächelnd. „Danach solltest du schlafen, bis der Doktor kommt.“
„Schon vergessen?“, krächzt Victor grinsend zwischen zwei Schlucken. „Der Doktor ist die ganze Zeit schon hier.“
„Schon“, grinst Josie zurück und drückt ihm einen federleichten Kuss auf die Stirn. „Aber dieser hier ist heute nicht zuständig, mein Lieber.“ Etwas ernster fügt sie hinzu: „Du hast dir da ganz schön was eingefangen. Wie ist denn das passiert?“
„Ich hab mich einfach verkühlt.“, druckst Victor herum.
„Er kam vorgestern klatschnass von einer Observierung zurück.“, petzt Mary unwirsch und wirft Jeffrey einen bösen Blick zu, als er den Mund öffnet. „Es war ziemlich kühl und feucht vorgestern Nacht und Jeffrey meinte, er hätte mindestens eine Stunde so auf der Lauer gelegen...“
Eigentlich will sie noch weiter reden, doch Josie stoppt sie mit einer abwehrenden Handbewegung und lächelt. „Schon gut“, sagt sie, „mehr muss ich gar nicht wissen. Für Vorwürfe ist es ohnehin zu spät. – Besorgen Sie mir lieber eine Schüssel mit kaltem Wasser, Leinentücher und ein paar Handtücher; ich schätze, Wadenwickel werden das Fieber senken.“
Victor verdreht seufzend die Augen. „Wadenwickel sind was für Kinder.“, murmelt er schlecht gelaunt.
„Oh, ich denke, dir werden sie auch nicht schaden.“, findet Josie. „Die senken nämlich nicht nur das Fieber, die machen auch den Kopf wieder klarer; die dumpfen Schmerzen, die man im Allgemeinen bei hohem Fieber hat, werden jedenfalls gelindert. – Und jetzt trink deinen Tee!“
Victor tut leise seufzend, wie ihm geheißen.
Als Stunden später Dr. Spellman mit seiner Untersuchung fertig ist, sind Victor und Jeffrey plötzlich allein. Mary ist bereits unterwegs zur Apotheke und Josie spricht draußen noch mit dem Arzt.
„Tut mir Leid, dass ich sie nicht aufhalten konnte.“, meint Jeffrey leise, während er die Kissen aus Victors Rücken nimmt, damit er schlafen kann.
„Schon gut.“, winkt Victor erschöpft ab. „Womöglich wäre sie gleich mit Feuerwehr und Krankenwagen angerückt, wenn du sie tatsächlich aufgehalten hättest.“, lacht er leise ... und muss prompt schmerzhaft husten.
„Ich geb’s ungern zu“, sagt Jeffrey zögernd, „aber ich fürchte, sie hat Recht. Es hat dich diesmal echt übel erwischt.“
„Michael meint, eine beginnende Lungenentzündung.“, bestätigt Victor kleinlaut.
„Dann hat er vermutlich strenge Bettruhe verordnet.“, argwöhnt Jeffrey düster. „Und wenn du nicht brav liegen bleiben solltest, bringt Lady Josephine es fertig, dich ohne Umschweife ans Bett zu fesseln.“
„Heute komme ich sowieso nicht mehr hoch.“, meint Victor resigniert. „Mein Kreislauf spielt da mit ziemlicher Sicherheit nicht mit; vielleicht morgen, wenn das Fieber runter ist...“
„Wohl eher übermorgen.“, findet Jeffrey. „Und sei vorsichtig, Mary ist eindeutig auf ihrer Seite.“
„Ich hasse es, krank zu sein!“, konstatiert Victor ... und muss plötzlich grinsen. „Wir sind ja echt zwei schöne Meister!“, meint er krächzend. „Lassen uns einfach von unseren angeblich so devoten Lustobjekten rumkommandieren.“
Die Männer brechen in ausgelassenes Gelächter aus, was allerdings bei Victor zu einem erneuten Hustenanfall
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